Mit einem feierlichen Staatsakt hat Deutschland am Mittwoch in Berlin Abschied vom früheren Bundespräsidenten Walter Scheel genommen. Der amtierende Bundespräsident Joachim Gauck würdigte Scheel als «Glücksfall für unser Land».
Der Ende August mit 97 Jahren gestorbene FDP-Politiker habe über sein gesamtes politisches Leben hinweg ein «feines Gespür für die Notwendigkeiten und Chancen seiner Zeit» bewiesen, sagte Gauck. «Walter Scheel ist ein Wegbereiter der Reformära gewesen, im Wortsinne ein Pfadfinder unserer Republik.» Er habe «unserem Land in entscheidenden Momenten Richtung gegeben und unserer Demokratie Orientierung verliehen».
Aussenminister Frank-Walter Steinmeier hob «Weitsicht, Risikobereitschaft und aussergewöhnlichen Mut» seines Amtsvorgängers hervor. Scheel habe mit seiner Entspannungspolitik den Weg zur Wiedervereinigung Deutschlands 20 Jahre später geebnet.
An der Trauerfeier in der Berliner Philharmonie nahmen neben Scheels Witwe Barbara auch Kanzlerin Angela Merkel sowie die früheren Präsidenten Horst Köhler und Christian Wulff teil. Der Sarg war mit einer schwarz-rot-goldenen Fahne geschmückt.
Scheel, der zuletzt an Demenz litt und in einem Pflegeheim lebte, war am 24. August gestorben. Als Staatsoberhaupt amtierte er von 1974 bis 1979. Zuvor hatte der FDP-Politiker als Aussenminister zusammen mit SPD-Kanzler Willy Brandt von 1969 bis 1974 die neue sozial-liberale Ostpolitik vorangebracht. Von 1968 bis 1974 war er FDP-Vorsitzender.
«Unerhörter Tabubruch»
Die aussenpolitische Neuorientierung innerhalb der damaligen SPD/FDP-Koalition sei ein «unerhörter Tabubruch» gewesen, sagte Steinmeier. Dazu seien Entschlossenheit und Ausdauer notwendig gewesen – «und Walter Scheel bewies beides».
Steinmeier wies auf den «feinsinnigen Humor» Scheels hin. Hinter seiner herzlichen Fröhlichkeit habe aber immer «grosser Ernst für die Sache» gestanden. Dass er Deutschland dann auch noch «das Ständchen eines Postkutschers» gesungen habe, «das freut uns noch heute».
Vielen Menschen ist Scheel bis heute durch das Volkslied «Hoch auf dem gelben Wagen» in Erinnerung, das er in seiner Zeit als Aussenminister in einer Fernsehshow sang und das später auf Schallplatte zum Hit wurde.
Bundestagspräsident Norbert Lammert hatte Scheels Verdienste für die demokratische Entwicklung Deutschlands bereits am Morgen im Parlament gewürdigt. «Dem erbitterten wie sachgerechten Streit zum Trotz strahlte die Persönlichkeit Scheels – dank seiner Prinzipienfestigkeit, seinem Mut zur Modernisierung und seiner Zielstrebigkeit – Zuversicht und Lebensfreude aus», sagte Lammert zum Auftakt der Bundestagssitzung.