Bewohnerinnen und Bewohner von Schweizer Pflegeheimen bewerten die Lebens- und Pflegequalität mehrheitlich positiv – trotz spürbarem Zeitdruck beim Personal. Doch es gibt auch kritische Voten: Beispielsweise die Selbstbestimmung in den Heimen sei verbesserungswürdig.
Dies zeigt eine Studie der Berner Fachhochschule, die am Dienstag präsentiert wurde. Sie basiert auf einer repräsentativen Befragung von 1035 Bewohnerinnen und Bewohnern in 51 Heimen in der Deutschschweiz und der Romandie. Die Untersuchung liefert erstmals Resultate aus Sicht von Bewohnenden. Sie wurde zwischen November 2013 und November 2014 durchgeführt.
Würdevolles Leben im Heim
Insgesamt schätzen sieben von zehn Bewohner ihre allgemeine Lebensqualität im Heim als gut (62 Prozent) oder sehr gut (9 Prozent) ein. Besonders positiv heben die meisten die Punkte Privatsphäre und Würde hervor. Beispielsweise geben neun von zehn Befragten an, im Heim Rückzugsmöglichkeiten zu finden, um ungestört zu telefonieren und mit Besuchern uneingeschränkt zu kommunizieren.
Eine grosse Mehrheit ist auch mit dem Pflegepersonal zufrieden und charakterisiert dieses als höflich und respektvoll. Neun von zehn Befragten fühlen sich zudem im Pflegeheim sicher und geborgen. Fast alle würden ihr Heim anderen weiterempfehlen.
Mehr Autonomie gefordert
Unter den Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohnern sind teilweise aber auch kritische Stimmen auszumachen. Rund ein Drittel moniert, die Autonomie sei teilweise nicht sichergestellt. Zum Beispiel könne der Zeitpunkt des Aufstehens oft nicht selbst gewählt werden. Auch individuelle Hobbys, die Freude bereiten, kämen zu kurz.
«Die Selbstbestimmung scheint in den Pflegeheimen nicht durchwegs gegeben zu sein», schreiben die Studienautoren. Pflegeheime müssten sich daher vermehrt überlegen, «trotz Abhängigkeiten und institutionellen Rahmenbedingungen eine Kultur der Selbstbestimmung zu gewährleisten».
Wenig Interesse an Lebensgeschichte
Am schlechtesten bewerten die Betroffenen die personenzentrierte Pflege. Nur ein Drittel gab an, dass sich das Personal für ihre Lebensgeschichte interessiere. Alltägliche und vertrauensvolle Kontakte zum Personal seien nur teilweise vorhanden. Nur drei von zehn Heimbewohnerinnen und -bewohner berichten, dass das Personal manchmal bei ihnen vorbeischaue, nur um zu reden.
Auch in Sachen Alltagsgestaltung und Kommunikation gebe es Steigerungspotenzial. «Ein aktiver Einbezug der Bewohnerinnen und Bewohner scheint hier wichtig zu sein», schreiben die Autoren der Studie.
Keine geschlechtsspezifischen Unterschiede
Sie weisen weiter daraufhin, dass mit zunehmender Pflegeabhängigkeit und gesundheitlicher Einschränkungen die Beurteilungen der Pflege- und Lebensqualität schlechter ausfallen. Dagegen sind beim Alter, Geschlecht und bei der Aufenthaltsdauer keine klaren Unterschiede in der Bewertung erkennbar.
Die an der Umfrage beteiligten Heime werden einen vergleichenden Bericht erhalten, in dem die eigene Institution anderen Heimen gegenübergestellt wird.
Zahl der Heimbewohner nimmt zu
In der Schweiz leben heute fast 10 Prozent der 80- bis 84-Jährigen und fast die Hälfte der über 94-Jährigen in Pflegeheimen. Diese Anteile werden sich in den nächsten Jahren wegen der demografischen Entwicklung erhöhen.
Die Studienautoren gehen davon aus, dass die Gewährleistung einer hohen Pflegequalität künftig zu einer grossen Herausforderung werden wird. Im Zentrum stehe dabei eine hochstehende Langzeitpflege.