Das Bezirksgericht Andelfingen ZH hat den ehemaligen Zürcher SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer vom Vorwurf der Rassendiskriminierung freigesprochen. Schlüer habe zwar sehr harte Ausdrücke verwendet, sich aber nicht strafbar gemacht.
Das Verfahren habe sich in einem Grenzbereich zwischen wichtigen Grundrechten bewegt, sagte der Einzelrichter in der mündlichen Urteilsbegründung: einerseits das Recht auf freie Meinungsäusserung und anderseits das Recht aller Menschen auf Wahrung ihrer Würde. Da gelte es, abzuwägen.
Ziel sei offensichtlich nicht gewesen, die Volksgruppe der Palästinenser in ein schlechtes Licht zu stellen, sondern Ausdruck einer Emotionalität. Es habe sich rein zufällig um Palästinenser gehandelt. Die Äusserungen erfüllten den Straftatbestand der Rassendiskriminierung nicht.
Schlüers «ausserordentlich harte» Wortwahl habe allerdings nicht überraschend zur Anzeige geführt. Damit habe der Autor rechnen müssen. Hier gelte das Prinzip «wie man in den Wald hineinrufe, so töne es heraus». Die Grenze zum Strafbaren sei aber nicht überschritten worden. Ob das Urteil weitergezogen wird, blieb am Montag offen.
Text im Internet
Der Vorwurf der Rassendiskriminierung geht zurück auf einen Beitrag Schlüers vom Juli 2012 im öffentlich zugänglichen Internet-Bulletin des Vereins sifa (Sicherheit für alle) dessen Geschäftsführer Schlüer ist. Er berichtete über eine Schlägerei vor der Asylunterkunft in Flaach ZH, wo er wohnt.
Wie Schlüer vor Gericht schilderte, gingen an jenem Sonntagnachmittag zwei Gruppen von je vier oder fünf Männern mit Schaufeln und Pickeln und viel Gebrüll aufeinander los. Weil er zufällig in der Nähe war, holte eine Frau ihn zu Hilfe.
Er habe sich vorab darum bemüht, dass die zwei oder drei Kleinkinder aus der Asylunterkunft, die dem Getümmel gefährlich nahe kamen, unverletzt blieben. Diese Kinder hätten ja auch zu jenen Leuten gehört. Sich nicht um sie zu kümmern, «das wäre rassistisch gewesen», so Schlüer.
In seinem Internet-Bericht schrieb Schlüer unter anderem, statt der angekündigten Flüchtlinge sei «Abschaum» gekommen, «elendes Schlägerpack», das «wie Tiere» herumbrülle. Palästinenser hätten ohnehin keinen Anspruch auf Asyl. In ihrem Autonomiegebiet würden sie ja nicht verfolgt. «Fort mit dem Pack», schrieb er.
Verallgemeinerung
Der Staatsanwalt warf Schlüer vor, er habe mit seinen Äusserungen verallgemeinernd die ganze Volksgruppe der Palästinenser verunglimpft und herabgesetzt. Er beantragte eine Verurteilung wegen Rassendiskriminierung und eine bedingte Geldstrafe von 28 Tagen zu 100 Franken sowie eine Busse von 500 Franken.
In seinem Plädoyer führte der Staatsanwalt aus, tatsächlich sei damals ja ausser Geschrei nicht viel passiert. Es gab keine Untersuchung der Schlägerei – die Polizei fand nichts mehr vor – keine Verletzten, keine Geschädigten und keine Anzeige. Für die groben Ausdrücke habe es keinen Anlass gegeben. In seiner «undifferenzierten Botschaft» habe Schlüer unter anderem verlangt, Palästinenser seien per se nicht aufzunehmen.
Der Rechtsvertreter des Privatklägers hatte vergeblich für seinen Mandanten Prozessentschädigung und Genugtuung von insgesamt rund 11’000 Franken gefordert. Schlüer hetze seit Jahren gegen Ausländer. Er habe seine Worte – eine «Kaskade an Beschimpfungen» – in jenem Beitrag mit Bedacht gewählt, sei er doch ein gebildeter und sprachlich versierter Mann.
«Nur auf die Schläger bezogen»
In der Befragung durch den Einzelrichter wies Schlüer den Vorwurf der Rassendiskriminierung entschieden zurück. Er habe über gewalttätige, brutale Schläger geschrieben. Seine Bezeichnungen hätten sich einzig auf diese Leute bezogen. Sein Bericht habe bloss die Wahrheit beschrieben, und dies müsse erlaubt sein.
Der Verteidiger plädierte denn auch auf Freispruch. Schlüer habe nichts anderes getan als «aufgeklärt über eine Verletzung des öffentlichen Friedens». Er habe nicht die palästinensische Ethnie generell kritisiert, sondern «ein paar Brutalos».
«Sicher kein Rassist»
Er sei mit Sicherheit kein Rassist, sagte Schlüer. Gleich zu Beginn der Hauptverhandlung führte er wortreich aus, wie er sich in den 40 Jahren seiner verschiedenen Amtstätigkeiten häufig und intensiv mit Ausländern befasst habe. Dabei habe es immer wieder erhebliche Probleme gegeben. Er habe sich stets um Lösungen bemüht. «Es ging nie um Rassen, sondern immer um Probleme».
Er habe sich stets im legalen Rahmen bewegt. Aber es sei klar, was Staatsanwalt und Privatkläger anstrebten, sagte der 70-Jährige in seinem Schlusswort: «Die Gesinnung des Schlüer soll keinen Platz haben».