Das Bezirksgericht Horgen steht vor einer schwierigen Aufgabe: Es muss entscheiden, ob die 39-jährige Frau, die ihre drei Kinder umgebracht hat, in eine stationäre Massnahme gehört oder ambulant behandelt werden kann. Der Prozess ist am Dienstag zu Ende gegangen.
Der Fall verlangte auch von Staatsanwaltschaft und Anwälten viel. „Gibt es einen krasseren Fall als diesen?“, fragte der Staatsanwalt während seines Plädoyers. In seinen 20 Berufsjahren habe er nie eine derart umfassende Untersuchung erlebt. Der Anwalt der Beschuldigten, der viel Zeit mit ihr verbracht hatte, räumte ein, dass es für ihn oft am Rand des Erträglichen gewesen sei.
In ihrem Schlusswort sagte die Beschuldigte unter Tränen, dass ihr „alles einfach nur leid tue“. Dass sie ihre Kinder umgebracht habe, sei für sie heute selber unvorstellbar. Sie wisse nicht, wie sie mit dieser Schuld weiterleben solle. Seit dem Geständnis im Dezember habe sie sehr mit sich zu kämpfen.
Staatsanwalt will keine „kleine Verwahrung“
Nun liegt der Ball beim Gericht, das bis am 29. Januar ein Urteil fällen muss. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Verurteilung wegen mehrfachen Mordes und vorsätzlicher Tötung. Dafür soll die Frau eine lebenslängliche Freiheitsstrafe erhalten.
Als Ergänzung dazu soll sie gemäss Anklage eine ambulante Massnahme absolvieren, also im Rahmen der Freiheitsstrafe an ihren psychischen Problemen arbeiten. Bei dieser Verurteilung würde sie frühestens in 15 Jahren bedingt entlassen – auch wenn die Therapie schon früher erfolgreich wäre.
Was der Staatsanwalt entschieden ablehnt, ist eine stationäre Massnahme nach Artikel 59, die „kleine Verwahrung“, wie sie Gerichtspsychiater Frank Urbaniok empfiehlt. Dabei handelt es sich um eine intensive Therapie, die zeitlich nicht befristet ist und im Frauengefängnis Hindelbank BE absolviert werden kann.
Alle fünf Jahre wird dabei geprüft, ob die Rückfallgefahr gesenkt werden konnte. Schlägt die Therapie an, können die Verurteilten unter Umständen bedingt entlassen werden. Darüber entscheiden aber nicht Richter, sondern Fachleute und Psychiater.
Für den Staatsanwalt in diesem Fall „ein unerträgliches Szenario“, das dem Sicherheitsbedürfnis der Öffentlichkeit widersprechen würde. Es gehe nicht an, dass jemand, der drei Kinder getötet habe, vielleicht schon nach wenigen Jahren wieder freikomme. „Das ist nicht gerecht.“
Anwalt fordert intensive Therapie
Genau eine solche „kleine Verwahrung“ fordert hingegen der Anwalt der Beschuldigten. So sei sichergestellt, dass sie die Behandlung konstant bekomme, sagte er. Die Therapie würde gemäss Gutachten mindestens 10 Jahre dauern.
Verteidiger forderte für seine Mandantin eine Verurteilung wegen mehrfacher vorsätzlicher Tötung, nicht aber wegen Mordes, weil sie nicht geplant habe, ihre Kinder zu töten. Eine Freiheitsstrafe solle zugunsten der stationären Massnahme aufgeschoben werden.
Als Begründung für ihre Taten zog der Anwalt die Kindheit der Beschuldigten heran, die von Gewalt geprägt gewesen sei. Die gebürtige Österreicherin sei deshalb „früh in ihrer Entwicklung stehen geblieben“. Nur der Körper sei weitergewachsen.
Keine Entschuldigung
Dieser Argumentation widersprach der Staatsanwalt. Das von der Beschuldigten gezeichnete Bild der Rabeneltern sei zu bezweifeln. Zudem sei eine schwierige Kindheit ohnehin keine Begründung und schon gar keine Entschuldigung für solche Taten.
In der Nacht auf Heiligabend 2007 erstickte die Beschuldigte in der Wohnung in Horgen ihre siebenjährigen Zwillinge. Erst im Dezember 2012, legte sie ein Geständnis ab. Dabei enthüllte sie auch, dass sie 1999 bereits ein Kind tötete. Ihr sieben Wochen alte Mädchen sollte „für immer still sein“.