Der Rentner, der sich im September 2010 mit Waffengewalt gegen die Räumung seines Elternhauses wehrte, hat sich am Montag vor Gericht einmal mehr als Opfer von Staats- und Polizeigewalt dargestellt.
Seine bisweilen wirren Ausführungen kreisten immer wieder um – wie er es nannte – „Polizeiüberfälle“, mutmassliche Verhaftungen, angeblich grundlose Anklagen, Vergewaltigungsvorwürfe in seiner Familie und Ähnliches.
Hinter allem vermutet er offenbar seine Schwester, mit der er sich seit Jahren einen erbitterten Erbstreit lieferte. „Meine Schwester ist der Teufel“, sagte Peter Hans Kneubühl am Montag vor dem Regionalgericht in Biel. Sie habe das ganze Erbe der Eltern an sich reissen und ihn entmündigen wollen.
Was genau hinter den von Kneubühl angedeuteten „Polizeiüberfällen“, Verhaftungen und Anklagen steckte, blieb letztlich offen und wenig fassbar. Die Richter und Behörden hätten ihm den Grund für die Anklagen nie genannt, beteuerte der Rentner.
An anderer Stelle behauptete Kneubühl, immer vom gleichen Polizisten verhaftet worden zu sein, weil er ein Umweltschützer und Linker sei.
Tirade gegen den Polizeistaat
Am Nachmittag holte Kneubühl dann zu einer Tirade gegen den Staat aus. Dieser sei unmenschlich geworden – ein Polizeistaat. Überall werde man von Videokameras überwacht, Telefone würden abgehört, die Polizei sei mit modernsten Mitteln ausgerüstet.
„Wie überlebt man da einen Tag länger, wenn man eine kleine Wanze ist?“, fragte Kneubühl. Angeklagt würden nicht jene, die diese Entwicklung zu verantworten hätten, sondern jene, die sich dagegen wehrten.
Die Frage, ob er denn am Tattag auf Polizisten geschossen und einen davon schwer verletzt habe, blockte Kneubühl immer wieder vehement ab und bezeichnete sie als irrelevant. Nicht er habe angegriffen, er sei von der Polizei angegriffen worden, beharrte er wieder und wieder.
Er sei hundert Prozent im Recht, betonte er mit fester Stimme und liess nicht die geringste Einsicht oder Reue erkennen.
Ganz eigene Logik
Während seiner Ausführungen schien Kneubühl bisweilen nicht mehr zwischen seinen Gefühlen und der Realität zu unterscheiden. Was er empfand, stellte er als unverrückbare Tatsache dar. Meist sprach der grossgewachsene, eher sanftmütig, aber vital erscheinende Mann gelassen und sachlich.
Vereinzelt blitzte aber auch ein andere Seite auf, dann nämlich, wenn er sich hin und wieder echauffierte und Kraftausdrücke gebrauchte. Der studierte Physiker machte am Montag den Eindruck eines Menschen, der in einer ganz eigenen, wohl nur für ihn stimmigen Logik gefangen ist.
Nicht mehr belastbar
Am Vormittag standen zwei am Einsatz gegen Kneubühl beteiligte Polizisten dem Gericht Red und Antwort. Der Polizist, dem Kneubühl beim Einsatz in den Kopf schoss, gab an, es gehe ihm gesundheitlich recht gut. Er habe aber noch immer Kopfschmerzen und Migräneanfälle und sei auch nicht mehr so belastbar. Das sei im Berufsleben sehr hinderlich.
Kneubühl konnte den beiden Polizisten am Morgen Fragen zum Einsatz stellen. Dies deshalb, weil Kneubühl nicht auf einen amtlichen Verteidiger setzt und sich zusätzlich zu diesen auch selbst verteidigen will.
Im Haus verschanzt
Am 8. September 2010 war die Polizei zu Kneubühls Haus in Biel ausgerückt, um eine Räumung zu vollstrecken. Der Rentner hatte sich im Innern verbarrikadiert. Als die Polizei eindrang, schoss Kneubühl mehrmals. Daraufhin gelang ihm die Flucht.
Neun Tage lang suchte ein riesiges Polizeiaufgebot nach ihm. Dann konnte der Rentner oberhalb von Biel schliesslich verhaftet werden.
Bei dem bis Ende nächster Woche dauernden Prozess geht es vor allem darum zu klären, ob Kneubühl überhaupt schuldfähig ist. Ein psychiatrisches Gutachten attestiert ihm nämlich eine wahnhafte Störung.
Erkennt das Gericht Kneubühl nicht als schuldfähig, kommt er in eine stationäre psychiatrische Einrichtung. Andernfalls wird Kneubühl der Prozess wegen versuchter vorsätzlicher Tötung gemacht.