Der Schweizer Bauernverband, die Rindviehhalter, die Labelorganisationen Bio- und IP-Suisse sowie der Schweizer Tierschutz STS haben einen Pakt zur Stärkung der Weidehaltung geschlossen. Mit einem zweistufigen Verfahren soll das Tierwohlprogramm RAUS gestärkt werden.
Ein vertrautes Bild: Das Schweizer Rindvieh grast gemütlich auf der saftigen Weide. Vor gut 20 Jahren wurde das Tierwohlprogramm RAUS (Regelmässiger Auslauf im Freien) eingeführt. Seither haben 83 Prozent der Milchkühe und über 90 Prozent der übrigen Kühe regelmässigen Auslauf ins Freie, wie die Organisationen am Dienstag vor den Medien bekannt gaben.
Eine Arbeitsgruppe des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW) hat einen von den Beteiligten breit mitgetragenen Vorschlag zur Erneuerung des Tierwohlprogramms ausgearbeitet. Dieser Vorschlag ist nun aber zur Enttäuschung der Fachorganisationen der Rindviehhalter, der Labelorganisationen und nicht zuletzt des Tierschutzes nicht in die laufende Vernehmlassung zum landwirtschaftlichen Verordnungspaket des Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung aufgenommen worden.
Die betroffenen Organisationen forderten deshalb am Dienstag in Bern vom Bundesrat, dass der Vorschlag für die Weiterentwicklung des RAUS-Programms doch noch im Verordnungspaket aufgenommen und für das Jahr 2018 eingeführt wird.
Hoher Weideanteil einzigartig
Denn das Tierwohlprogramm RAUS sei ein grosser Erfolg für die Landwirtschaft, den Tierschutz und besonders für die Nutztiere. Der hohe Weideanteil mache die Schweizer Rindviehhaltung einzigartig, was nicht zuletzt auch matchentscheidend für die Positionierung und den Verkauf der Produkte sei.
Der Präsident des Schweizer Bauernverbandes (SGV), der St. Galler CVP-Nationalrat Markus Ritter, wies auf die Notwendigkeit der Weiterentwicklung des Tierwohlprogramms hin. Kühe und weibliches Jungvieh müssten heute während der Vegetationsperiode einen wesentlichen Teil der Ration auf der Weide aufnehmen.
Mit dem Strukturwandel und den damit verbundenen grösseren Herden benötigten die Betriebe entsprechend mehr Weideflächen. Seien diese nicht vorhanden, so könnten die betroffenen Bauern nicht mehr am RAUS-Programm teilnehmen: Dies habe zur Konsequenz, dass es keinen Anreiz gebe, die Tiere noch ins Freie zu lassen.
Darum müsse das RAUS-Programm durchgehend als RAUS-Basis- und für jene Betrieb mit ausreichender Weidemöglichkeit als RAUS-Weide-Programm angeboten werden. Das RAUS-Weide-Programm, mit dem die Tiere weiterhin einen wesentlichen Anteil Futter, nämlich 25 Prozent der Trockensubstanz auf der Weide fressen könnten, müsste zudem mit einem Zusatzbeitrag honoriert werden.
Kritik des Tierschutzes
Für den Schweizer Tierschutz STS ist es völlig unverständlich und inakzeptabel, wenn der Bund ausgerechnet jene Massnahme ablehnt, welche den geforderten Tier- und Umweltschutz am ehesten und gewinnbringend für alle vorwärtszubringen verspreche, nämlich eine verstärkte Förderung der Weidehaltung der rund 1,5 Millionen Kälber, Mastrinder und Kühe mittels höherer RAUS-Beiträge.
Die Gelder für eine bessere RAUS-Förderung wären beim Bund vorhanden und verfügbar, wie STS-Geschäftsführer Hansuli Huber deutlich machte. Die Kosten würden sich schätzungsweise auf rund 50 Millionen Franken belaufen, also auf kaum zwei Prozent des Direktzahlungsbudgets.
Der von der Agrarpolitik und der «Milchpreisdrückerei» befeuerte Strukturwandel hin zu grossen und billiger produzierenden Milchbetrieben führe direkt zur ganzjährigen Stallhaltung beim Milchvieh.
Der Strukturwandel habe zur Folge, dass die Kühe in grösseren Herden lebten und darum sei eine moderate Anpassung der Bedingungen für das RAUS-Programm nötig, damit auch in Zukunft deutlich mehr als zwei Drittel der Kühe geweidet würden. Noch krasser sei die Situation bei Mastvieh und Kälbern, deren Weideanteil gegenwärtig unter 20 Prozent liege.