Nach den umstrittenen Äusserungen des Churer Bischofs Vitus Huonder üben sich die Schweizer Bischöfe in Schadensbegrenzung. In ihrer ersten gemeinsamen Reaktion betonen sie, dass «die Kirche allen Menschen gleichermassen offen steht».
«Wir haben gespürt, wie viele Menschen durch die Aussagen verletzt wurden», sagte der Präsident der Schweizer Bischofskonferenz (SBK), der St. Galler Bischof Markus Büchel, am Donnerstag vor den Medien in Bern. Die Situation sei nach der «Welle der Entrüstung», die über Huonder hereinschwappte, schwierig.
Huonder hatte Ende Juli in einem Vortrag im deutschen Fulda Textstellen aus dem Alten Testament zitiert, wonach Homosexualität eine Gräueltat sei, die mit dem Tod bestraft werde. Der Bischof hatte sich nach empörten Reaktionen auf seine Ansichten öffentlich entschuldigt, nachdem er in einer ersten Stellungnahme noch von einem Missverständnis gesprochen hatte.
An der Ordentlichen Versammlung der Bischofskonferenz, die von Montag bis Mittwoch in Givisiez FR stattfand, habe der viel kritisierte Churer Bischof seinen Kollegen persönlich noch einmal erklärt, was er schon in öffentlichen Stellungnahmen geäussert hatte, sagte Büchel. Es sei nie Huonders Absicht gewesen, für homosexuelle Akte die Todesstrafe zu fordern.
Bischof muss wissen, was er sagt
Die Bischofskonferenz betonte, dass die Kirche alle Menschen «unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung» vorbehaltlos annimmt. Es gelte, angemessene Wege zu finden, dies auszudrücken. Um diese Formulierung habe die Konferenz gerungen, sagte Büchel. Es gebe in der Kirche zwar wohl eine Einheit der Lehre, aber keine Einheit der Wahrnehmung.
Befugt, den Churer Kollegen zu rügen, sind die Bischöfe nicht. Büchel mahnte die Kirchenmänner grundsätzlich an, sich im theologischen Diskurs immer auch zu überlegen, wie Aussagen bei Aussenstehenden ankommen könnten – insbesondere bei Reizworten wie «Todesstrafe».
«Ein Bischof muss sich bewusst sein, was er sagt.» Konkret zu Huonders Aussagen befragt, ergänzte Büchel: «Es war falsch, dass er das so in einem Satz stehen liess.»
Die heiklen Themen Familie und Ehe waren auch Inhalt eines Studientags vom Montag, wie SBK-Generalsekretär Erwin Tanner sagte. In einem «fruchtbaren Austausch» befassten sich Theologen, Humanwissenschaftler aber auch Fachleute aus der Praxis mit den Themen, die an der Bischofssynode im Oktober in Rom auf der Traktandenliste stehen.
Welche sich daraus ergebenden Anliegen aber der Bischof von Sitten, Jean-Marie Lovey, als Schweizer Vertreter in den Vatikan tragen wird, konnte die SBK nicht präzisieren. Der Bischof sei frei in seinen Äusserungen.
Bischof Morerod neuer Präsident
An ihrer Versammlung wählte die Bischofskonferenz den Bischof von Lausanne, Genf und Freiburg, Charles Morerod, zum neuen Präsidenten für die Amtsperiode 2016 bis 2018. Büchel gibt sein Amt am 31. Dezember 2015 ab.
Der designierte Präsident zeigte sich erfreut, dass seine «Mitbrüder sich für sprachliche Abwechslung entschieden haben». Der 53-Jährige Doktor der Theologie und Doktor der Philosophie ist derzeit Vizepräsident der SBK.
Zum neuen Vizepräsidenten wurde der Bischof von Basel und ehemaliger Generalsekretär der SBK, Felix Gmür, bestimmt. Der Abt von Einsiedeln, Urban Federer, wurde zum dritten Mitglied des Direktoriums gewählt.
Flüchtlingshilfe ist Christenpflicht
Die Bischöfe riefen auch zu mehr Engagement in der Flüchtlingshilfe auf. Diesen vielen Menschen in Not zu helfen, sei eine christliche Pflicht, sagte Morerod. Er lobte die bereits bestehenden Initiativen und betonte gleichzeitig, ein zusätzlicher Effort sei nötig. Büchel rief Kirchgemeinden und Pfarreien dazu auf, sich Gedanken zu machen, «wie wir noch mehr tun können».