Bundespräsident Johann Schneider-Ammann und Aussenminister Didier Burkhalter sehen Chancen für das Verhältnis Schweiz/EU, Christoph Blocher war überrascht und freut sich: In der Sonntagspresse äussert sich die Schweizer Politiprominenz zum Brexit.
«SonntagsZeitung» / «Le Matin Dimanche»: Um die bilateralen Verträge mit der EU zu retten, zählt Bundespräsident Johann Schneider-Ammann auf eine Art Zuwanderungs-Schutzklausel, wie sie Ex-Staatssekretär Michael Ambühl vorschlägt. Im Interview mit der «SonntagsZeitung» und «Le Matin Dimanche» sagte Schneider-Ammann, dass Brüssel eine quantitative Beschränkung der Zuwanderung als «sehr problematisch» empfinde: «Mit einer nackten Zahl ist wohl nicht viel zu holen».
Kontingente und Höchstzahlen verlangt aber die SVP-Zuwanderungsinitiative, die es bis Februar 2017 umzusetzen gilt. Auf die Frage, was die Alternative zu einer solchen Beschränkung sei, sagte Schneider-Ammann, er sehe zum Beispiel «gewisse Chancen» für eine Lösung wie jene, an der Ambühl arbeite. «Also dem Modell einer differenzierten Schutzklausel mit Massnahmen, wenn in einer bestimmten Branche und einer bestimmten Region ein Problem besteht.»
Modifizierte Zuwanderungs-Schutzklausel
«SonntagsZeitung»: Eine modifizierte Version der Zuwanderungs-Schutzklausel, die der frühere Staatssekretär Michael Ambühl entwickelte, geniesst Unterstützung bei Vertretern mehrerer Parteien. Die CVP werde diesen Vorschlag in der zuständigen Kommission unterstützen, sagte CVP-Präsident Gerhard Pfister der «SonntagsZeitung». Zustimmung zu «Ambühl 2.0» signalisierten dem Blatt auch SP-Fraktionschef Roger Nordmann und Grünen-Fraktionschef Balthasar Glättli. Unklar ist, ob die Freisinnigen sich der Empfehlung ihres Bundesrates Johann Schneider-Ammann anschliessen. Die SVP beharrt auf Kontingenten, Höchstzahlen und Inländervorrang.
«Schweiz am Sonntag» / «SonntagsZeitung»: Für Aussenminister Didier Burkhalter bietet der anstehende Austritt Grossbritanniens aus der EU auch Chancen für die Schweiz, ihren Streit um die Zuwanderung mit der EU zu lösen. Er glaube fest daran, dass die Schweiz ein Fenster habe «für eine Lösung bei der Zuwanderungsfrage», wird er in der «Schweiz am Sonntag» zitiert. «Die EU und die Schweiz sollten zusammen den Mut haben, gemeinsam eine einvernehmliche und rechtssichere Lösung zu finden.» Aus seiner Sicht könnte die Schweiz zu einem Testlabor für die EU werden im Hinblick auf die Gespräche mit den Briten, sagte er zudem auch zur «SonntagsZeitung».
Anhörung in Brüssel abgesagt
«NZZ am Sonntag» / «Ostschweiz am Sonntag» / «Zentralschweiz am Sonntag»: Nach dem Brexit-Votum ist ein erster Termin für Gespräche zum Konflikt der Schweiz mit der EU über die Personenfreizügigkeit bereits geplatzt. Der Schweizer Chefunterhändler Jacques de Watteville hätte sich am Montag mit seinem EU-Gegenpart Christian Leffler bei einer Anhörung vor dem aussenpolitischen Ausschuss des EU-Parlaments treffen sollen. Dazu kommt es nun aber nicht: Die Anhörung wurde am Freitag abgesagt, wie die Zeitungen «NZZ am Sonntag», «Ostschweiz am Sonntag» und «Zentralschweiz am Sonntag» berichten. Die Fraktionen bereiten sich auf eine Brexit-Debatte vor. De Watteville reist dennoch nach Brüssel und hält andere Treffen ab.
Blocher überrascht
«Schweiz am Sonntag»: Die Schweiz müsse nun nach dem Brexit «die grossen und strategischen Chancen für die Schweiz endlich nutzen», sagt Christoph Blocher im Interview mit der «Schweiz am Sonntag», wo er sich erstmals ausführlich zum Brexit äussert, der ihn überrascht habe. Es gehe nicht an, die Drei-Jahresfrist seit der Abstimmung zur Masseneinwanderung vom 9. Februar 2014, die Anfang 2017 ablaufe, hinauszuschieben. «Das muss durchgezogen werden», sagt Blocher. Die EU habe nämlich «Angst vor einem einzigen Schritt der Schweiz», behauptet er.