Knapp eine Woche nach dem Sturz von Ägyptens Präsident Mohammed Mursi eskaliert die Gewalt. Bei Zusammenstössen zwischen Islamisten und dem Militär in Kairo wurden am Montag nach offiziellen Angaben mindestens 51 Menschen getötet und 435 weitere verletzt.
Das Militär gab an, Bewaffnete hätten den Offiziersclub der Republikanischen Garde stürmen wollen. Zuvor hatte es in Kairo Gerüchte gegeben, dass sich Mursi dort aufhalten könnte.
Die Armee nahm nach eigenen Angaben etwa 200 Bewaffnete fest. Die Angreifer hätten unter anderem Schusswaffen und Brandsätze bei sich gehabt, hiess es in der Stellungnahme. Unter den Toten und Verletzten seien auch Soldaten. Die ägyptische Justiz ordnete die Schliessung der Zentrale der Muslimbruderschaft an, nachdem dort Messer, brennbare Flüssigkeit und andere Waffen gefunden wurden.
Die Muslimbruderschaft erklärte, dass ihre Unterstützer bei einer Protestveranstaltung während des Morgengebets attackiert worden seien. Das Militär habe auf friedlich betende Menschen geschossen. Der Sprecher der Organisation, Gehad al-Haddad, schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter, Polizei und Armee hätten versucht, einen Sitzstreik der Mursi-Anhänger mit Gewalt aufzulösen.
«Nicht wieder unter Militärdiktatur leben»
In einer Mitteilung betonten die Muslimbrüder, das ägyptische Volk wolle nicht wieder unter einer Militärdiktatur leben und werde den Kampf dagegen fortsetzen. Dieses «abscheuliche Verbrechen» sei ein weiterer Beleg für die Brutalität der Armeeführung.
«Die Partei Freiheit und Gerechtigkeit ruft das grosse ägyptische Volk auf, sich gegen die zu erheben, die die Revolution mit Panzern und gepanzerten Fahrzeugen stehlen wollen und dabei auch über Leichen gehen», erklärte die Bruderschaft auf ihrer Facebook-Seite.
«Nun fliesst das Blut in Strömen»
Der Sprecher der salafistischen Nur-Partei (Partei des Lichts), Nader al-Bakkar, erklärte über Twitter: «Wir haben als Reaktion auf das Massaker vor dem Club der Republikanischen Garde beschlossen, uns mit sofortiger Wirkung aus allen Verhandlungen über die Bildung einer neuen Regierung und dem gesamten von der Armee initiierten politischen Prozess zurückzuziehen.» Die Salafisten hätten sich zur Teilnahme an den Beratungen bereiterklärt, um Blutvergiessen zu verhindern: «Nun fliesst das Blut in Strömen.»
Die Nur-Partei, die zweitgrösste islamistische Strömung in Ägypten, hatte den Sturz Mursis mitgetragen und galt als wichtige Kraft beim Versuch, alle politischen Strömungen in den Demokratisierungsprozess einzubeziehen.
Übergangspräsident Adli Mansur kündigte die Einsetzung einer Untersuchungskommission zu den Vorfällen an. Zugleich rief er die Demonstranten auf, sich von Kasernen und anderen «vitalen Einrichtungen» des Staates fernzuhalten. Präsidenten-Sprecher Ahmed Elmoslmani sagte, die Ereignisse würden die Bemühungen um eine Übergangsregierung und die Vorbereitungen für Wahlen und eine Verfassung nicht aufhalten.
Noch kein Übergangsregierungschef
Weiterhin offen blieb, wer nun Übergangsregierungschef werden soll. Nachdem die Salafisten am Wochenende die Wahl des säkularen Oppositionsführers und Friedensnobelpreisträgers Mohammed El Baradei blockiert hatten, wurde am Sonntagabend aus Mansurs Umfeld bekannt, dass der Wirtschaftsexperte Siad Bahaa Eldin für den Posten im Gespräch sei. Auch gegen ihn meldete die Nur-Partei jedoch Bedenken an.
Ausländische Firmen wie BP begannen damit, Mitarbeiter aus dem Land abzuziehen.