Bob Dylan weiss offiziell noch nichts von seinem Nobelpreis

Sind Liedtexte Dichtkunst, sind Songschreiber auch Literaten? Die überraschende Auszeichnung der US-Rocklegende Bob Dylan mit dem Literaturnobelpreis hat Fans und Musiker jubeln lassen und Kritiker in Diskussionen gestürzt. Dylan selbst blieb vorerst unerreichbar.

Der frisch gekürte Literaturnobelpreisträger Bob Dylan wird in Las Vegas gefeiert. 

(Bild: sda)

Sind Liedtexte Dichtkunst, sind Songschreiber auch Literaten? Die überraschende Auszeichnung der US-Rocklegende Bob Dylan mit dem Literaturnobelpreis hat Fans und Musiker jubeln lassen und Kritiker in Diskussionen gestürzt. Dylan selbst blieb vorerst unerreichbar.

Da wird Bob Dylan überraschend mit einem Literaturnobelpreis geehrt, und dann weiss er selbst offenbar gar nichts davon. Zumindest war er in den USA zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Auch die Jury konnte den als Robert Allen Zimmerman im US-Staat Minnesota geborenen Musiker nicht von ihrer Wahl in Kenntnis setzen. Man gehe aber davon aus, dass der Preisträger durch die Medien inzwischen von seinem Glück wisse, sagte Nobeljuror Per Wästberg der Nachrichtenagentur dpa.

Damit dürfte Wästberg recht haben. Am Donnerstagabend hatte Dylan im Rahmen seiner Tournee in Las Vegas ein Auftritt. Als ihn seine Fans mit «Nobelpreisträger»-Rufen und Ovationen feierten, liess er sich noch immer nichts anmerken, sondern schwieg. 

Bei den Zugaben wich Dylan allerdings vom Programm eines vorherigen Konzerts ab und spielte seine Protest-Hymne «Blowin‘ In The Wind» – zur Freude der rund 2000 mitsingenden Konzertbesucher. Seinen Auftritt beendete er bezeichnenderweise mit einem Song, den Frank Sinatra einst sang: «Why Try To Change Me Now» (etwa: «Warum versuchen, mich jetzt zu ändern»).

«Vater meines Landes»

Da mit dem 75-Jährigen erstmals ein Songschreiber mit dem wichtigsten Literaturpreis der Welt geehrt wird, entbrannte nach der Ankündigung aus Stockholm vom Donnerstag eine Debatte über den Preis selbst.

«Bob Dylan ist der Vater meines Landes», zitierte Rockmusiker Bruce Springsteen aus seiner neu erschienenen Biografie «Born to Run» und gratulierte Dylan zur Auszeichnung. Dylan habe sich getraut, die Fragen zu stellen, die niemand anders stellen wollte. Jarvis Cocker von der Band Pulp sprach dem britischen «Guardian» zufolge von einer «grossartigen Wahl des Nobel-Komitees».

US-Schriftstellerin Joyce Carol Oates bezeichnete die Preisvergabe als «inspirierend und echt». «Seine eindringliche Musik und Lyrik schienen im tiefsten Sinn immer «literarisch», schrieb die Autorin («Schwarzes Wasser», «Blond») bei Twitter.

«Songwriting ist Schreiben, und Bob Dylan ist einer der einflussreichsten Schreiber der vergangenen 100 Jahre», schrieb Science-Fiction-Autor John Scalzi. Der indisch-britische Autor Salman Rushdie bezeichnete Dylan als «brillanten Erben der bardischen Tradition» und lobte die Wahl.

Mitleid für «wahre Schriftsteller»

Andere Literaten äusserten sich kritischer. «Niemand bestreitet, dass er ein genialer Musiker und ein grosser Dichter ist», schrieb der rumänische Schriftsteller Mircea Cartarescu auf Facebook. «Aber es tut mir so leid um die wahren Schriftsteller, Adonis, Ngugi, DeLillo und weitere 2-3, die den Preis beinahe in der Tasche hatten.»

Der britische Schriftsteller Irvine Welsh schrieb auf Twitter: «Ich bin ein Dylan-Fan, aber dies ist ein schlecht durchdachter Nostalgie-Preis.»

Mit Dylan wurde erstmals seit der Autorin Toni Morrison 1993 wieder ein US-Amerikaner mit der Auszeichnung geehrt. In seiner über ein halbes Jahrhundert langen Karriere wurde Dylan unter anderem mit einem Oscar, Pulitzer-Preis, Polar-Music-Preis und Golden Globe ausgezeichnet.

Zu seinen berühmtesten Liedern zählen «Mr. Tambourine Man», «Like A Rolling Stone» und «The Times They Are a-Changin’». Dylan schreibe «Poesie fürs Ohr», lobte Nobeljurorin Danius.

Die mit acht Millionen schwedischen Kronen (fast 900’000 Franken) dotierte Auszeichnung wird am 10. Dezember – dem Todestag des Preisstifters und Dynamit-Erfinders Alfred Nobel (1833-1896) – gemeinsam mit den anderen Nobelpreisen in Stockholm verliehen.

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