Der 63-jährige Treuhänder aus Bonstetten, der im Februar 2010 in einem Hotelzimmer seinen 5-jährigen Sohn umbrachte, ist sich keiner Schuld bewusst. Am ersten Prozesstag vor dem Bezirksgericht Winterthur wirkte er völlig emotionslos.
«Es hätte nie passieren dürfen», war sein wohl gefühlvollster Satz an diesem Prozesstag. Er sei beteiligt am Tod des Kindes, das könne er auf niemanden sonst schieben. Die alleinige Verantwortung wollte er aber nicht übernehmen. Er zeigte weder Reue noch entschuldigte er sich für die Tat.
Der Schweizer verzog auch dann keine Miene, als seine Ex-Partnerin aufstand, ihm einen Kugelschreiber an den Kopf schleuderte und ihn als «Arschloch» betitelte.
Was genau an jenem Februartag im Hotelzimmer passierte, konnte oder wollte der Beschuldigte nicht schildern. Klar ist, dass er fürchtete, seine Ex-Partnerin könnte den Knaben in ihre Heimat Brasilien entführen. «Ich war richtig in Panik», sagte er. An diesem Tag – nur einen Tag vor dem 5. Geburtstag seines Sohnes – habe er mit ihm zum Anwalt gehen wollen, um eine Entführung zu verhindern.
Schlafmittel im Süssmost
Dann sei er aber «getrieben worden wie ein Blatt», sei mit seinem Kind in irgend einen Zug gestiegen, habe Schlaftabletten gekauft und sei in das Winterthurer Hotel gegangen, «um etwas zur Ruhe zu kommen». Damit auch der Knabe still war, löste er einige Pillen in Süssmost auf und verabreichte sie ihm.
Am Ende des Tages war der Sohn erstickt und der Vater überlebte den eigenen Suizidversuch. Der gebürtige Urner wollte eigentlich den Staub eines Feuerlöschers einatmen, löste damit aber den Feueralarm des Hotels aus und sorgte dafür, dass Personal ins Zimmer kam. Den Feuerlöscher hatte er selber mitgenommen.
In einem Abschiedsbrief, in dem er die Schreibfehler säuberlich korrigierte, liess er seine Ex-Partnerin wissen, dass der Knabe «besser tot ist als mit einer Hure auf der Flucht». Das ehemalige Paar kämpfte schon seit langem um den Knaben und stritt um Besuchsrechte und Ferienregelungen.
Erstes Opfer überlebte schwer behindert
Die Gemeinde Bonstetten wurde nach dem Tötungsdelikt harsch kritisiert, weil sie den Knaben dem Vater in Obhut gegeben hatte, obwohl dieser vor gut zwanzig Jahren bereits einmal ein Kind hatte töten wollen.
Der damals 13-jährige Sohn aus erster Ehe überlebte den Mordversuch mit Hirnverletzungen und ist heute körperlich schwer behindert. Zusammen mit der 38-jährigen Mutter des getöteten Kindes wohnte er am Mittwoch dem Prozess bei.
Ein Gutachten stuft den Beschuldigten als «nicht therapierbar» ein. Er lasse seine Fassade nie fallen, sagte der Gutachter in der Befragung. Es gebe deshalb kaum eine Möglichkeit, therapeutisch zu ihm durchzudringen. Jeder Versuch seit dem ersten Mordversuch vor zwanzig Jahren sei gescheitert.
Gegen aussen fürsorglich und freundlich
Der Beschuldigte leidet unter einer paranoiden Störung mit narzisstischen Zügen. Er ist sehr misstrauisch, wittert Verschwörungen und neigt zu Aggressionen. Gleichzeitig stellt er sich selber nie in Frage. Unsicherheiten werden überspielt.
Gegen aussen gibt er sich fürsorglich und freundlich. Zeugen aus seinem Umfeld bezeichneten ihn in Befragungen gar als «Vorzeigeobjekt der Familie». Seine Partnerinnen hingegen erlebten einen herrischen Mann, der sie formen wollte und zuschlug.
Die Einschätzung der Psychiater passt zum Antrag des Staatsanwaltes: Er fordert eine lebenslängliche Freiheitsstrafe und anschliessend eine Verwahrung. Der Prozess wird am Donnerstagnachmittag mit den Plädoyers von Anklage und Verteidigung fortgesetzt. Wann das Urteil verkündet wird, ist noch unklar.