Arno Kammermeier und Walter Merziger haben eine Mission. Und zwar: Techno-Pop salonfähig zu machen.
2011, so viel darf man rückblickend getrost festhalten, war das Jahr, in dem die elektronische Musik endgültig zur freundlichen Übernahme des globalen Mainstreams ausholte. Seien es Röhrlijeansrocker, fluffige Folkpoeten oder Baggyhosen-Hip-Hopper: Alle suchten sie in ihrer Sinnkrise Inspiration beim ehemaligen Junior-Partner, holten sich Hilfe in Form von knalligen Rave-Fanfaren, sanften Ambientflächen oder trocken knarzenden Techfunk-Beats.
Gleichzeitig schwang sich eine neue Generation von Techno- und Houseproduzenten aus dem Untergrund hervor und übernahm das Zepter, pardon: die Regler im globalen Musikschaltkreis. Musikern wie dem britischen Sunnyboy Jamie Jones, dem New Yorker Wunderkind Nicolas Jaar oder dem US-frankospanischen Multitalent Maceo Plex ist eines gemeinsam: Ihre Entwürfe, seien es retrofuturistischer Synthiefunk, postmoderner Zeitlupensoul oder ultralangsamer Darkroom-Disco, sind Teil eines neuen Entwurfes von zukünftigem Hitparaden-Sound, oder wie es die Detroiter Supergroup Visionquest schlicht nennt: «Underground Pop».
Plastisch, aber nicht aus Plastik
Zwei Berliner wird diese Entwicklung besonders freuen. Denn Arno Kammermeier und Walter Merziger haben es sich bereits vor zehn Jahren zur Mission gemacht, den Techno salonfähig zu machen. Ob (bis vor Kurzem) als Leiter des erfolgreichen Labels «Get Physical» oder unter dem Namen «Booka Shade»: Den beiden Berliner Produzenten gelingt es stets scheinbar spielend, Techno, House, Disco und Electronica zu einer neuen Form von «Pop» zu vermischen: plastisch, aber nicht aus Plastik, kunstvoll, nicht jedoch künstlich klingend. Spätestens mit dem weltweiten Überhit «Body Language» traten Booka Shade vor fünf Jahren ihren globalen Siegeszug an, spielen seither umjubelte Gigs nicht nur an englischen Open Airs oder den Beach-Resorts Ibizas, sondern genauso in der Wüste Colorados oder am Strand von Sydney. Dazu gesellen sich erfolgreiche Langspielalben wie «Movements» (2006) oder zuletzt 2010 «More!» sowie eine schier unüberschaubare Anzahl club- und chartstauglicher Remixes.
Analysiert man den eindrücklichen Erfolg des Duos, das Gerüchten zufolge mehrere zehntausend Euro für seine audiovisuell aufwendigen Live-Auftritte verlangen darf, fällt einem auf: Der Ruhm kommt keineswegs aus dem Nichts. Hinter dem Projekt «Booka Shade» stecken über ein Vierteljahrhundert Produktionserfahrung und in erster Linie harte Arbeit. Lief es im Techno-Bereich mal gerade nicht gut, schlugen sich die Musiker auch schon als Soundtrack- und Hit-Schreiber durch.
«Damals war uns das scheissegal. Heute zählt für uns dagegen jede Note», so die beiden Soundtüftler über den unbedingten Willen zum Siegeszug ihres episch-emotionalen Techno-Pops, der die beiden bis heute unermüdlich und immer erfolgreicher um den Globus touren lässt.
Live: Samstag, 17.12., 23 Uhr, Westquaistr. 19, Basel.
www.dasschiff.ch.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 16/12/11