Deutschland will den Fluglärm-Staatsvertrag mit der Schweiz nicht nachverhandeln. Vielmehr sollen „Missverständnisse“ ausgeräumt werden, wie der deutsche Botschafter in der Schweiz, Peter Gottwald, im Interview mit der Zeitung „Der Sonntag“ erklärt.
„Es geht nicht um eine Nachverhandlung des Vertrags, sondern darum, bestimmte Aspekte so klar zu fassen, dass Missverständnisse ausgeräumt werden können“, sagte Gottwald der Zeitung.
Um die offenen Punkte zu klären, „gibt es in den internationalen Beziehungen verschiedene Formen. Wie man das technisch genau löst, ist gar nicht so wichtig. Natürlich kann man das schriftlich und verbindlich festhalten“, sagte der deutsche Botschafter, „wenn sich beide Seiten gegenseitig vertrauen, reicht im Prinzip auch ein Handschlag aus.“
Ratifizierung ausgesetzt
Damit bekräftigte Gottwald Äusserungen des deutschen Verkehrsministers Peter Ramsauer, der am vergangenen Montag erklärt hatte, Deutschland wolle noch offene Fragen in einer völkerrechtlich verbindlichen Form klären. Das könne etwa als Anhang, Zusatz oder Protokoll zum Staatsvertrag geschehen.
Allerdings hatte Ramsauer auch erklärt, falls erforderlich, könne auch der Vertrag in einzelnen Punkten noch einmal abgeändert werden. Zuvor hatte die deutsche Regierung die Ratifizierung des deutschland schweizStaatsvertrags ausgesetzt, nachdem Ramsauer sich mit Vertretern Baden-Württembergs getroffen hatte.
Kompromiss bei Anzahl Flugbewegungen möglich
Umstritten sind vor allem die Zahl der Flugbewegungen, die Flugrouten und die Flughöhe über Süddeutschland. Botschafter Gottwald zeigte sich zuversichtlich, dass bei den Flugbewegungen eine Lösung gefunden werden könne.
Die Schweiz möchte 110’000 Flugbewegungen über Südbaden, Deutschland nur 85’000: „Letztlich geht es immer darum, die Betroffenen von der Lärmbelästigung zu entlasten. Wir hatten bisher das Problem, dass die Schweiz davon ausgeht, dass sich der Lärm anhand der Anzahl Flüge objektivieren lässt“, sagte Gottwald.
„Die betroffenen Bewohner Südbadens wissen, dass der Lärm eines Flugzeugs um 6 Uhr morgens eine andere Qualität hat als mitten am Nachmittag. Es kommt also unter anderem auch drauf an, zu welcher Zeit eine Flugbewegung erfolgt“, zeichnete der Botschafter eine mögliche Lösung vor.
Schweiz möchte „schriftlichen Austausch“
Das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) von Bundesrätin Doris Leuthard hatte sich nach dem Stopp des Ratifizierungsprozesses auf Seite Deutschlands „offen für die Klärung der aufgetauchten Fragen“ gezeigt.
Allerdings hält das UVEK dafür Nachverhandlungen für nicht erforderlich. Es schlug deshalb den Deutschen einen „schriftlichen Austausch“ vor. Dies würde eine eine rechtsverbindliche Form „garantieren“, hatte eine UVEK-Sprecherin am Montag erklärt.
Der nach jahrelangem Streit Anfang September von Leuthard und Ramsauer unterzeichnete Vertrag sieht vor, dass Anflüge auf den Flughafen Zürich am Abend drei Stunden früher als heute über Schweizer Gebiet stattfinden. Deutschland verzichtet im Gegenzug auf eine zahlenmässige Begrenzung der Anflüge über deutsches Gebiet.
An Werktagen dürfen Flugzeuge bereits ab 6.30 Uhr über Süddeutschland anfliegen, eine halbe Stunde früher als heute. Die Schweiz ist dafür bereit, die am frühen Abend landenden Flugzeuge anstatt von Norden her über eine andere Route nach Zürich zu führen. Hierfür kommen Ostanflüge, Südanflüge oder ein satellitengestützter gekröpfter Nordanflug in Frage.