Die WHO hat präzisiert, dass sie keinen völligen Verzicht auf Wurst und Schinken verlangt. Die Schweizer Fleischwirtschaft sieht ihre Kritik bestätigt. «Wir sagen ja auch nicht, die Menschen sollen täglich Landjäger essen.»
Dies sagte Elias Welti, stellvertretender Direktor des Schweizer Fleisch-Fachverband (SFF), am Freitag gegenüber der Nachrichtenagentur sda auf Anfrage. Der SFF hatte die WHO-Studie vom Montag scharf kritisiert.
Darin hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Wurst, Schinken und anderes verarbeitetes Fleisch als krebserregend eingestuft. Damit rief die WHO dazu auf, am besten ganz auf den Verzehr von verarbeitetem Fleisch zu verzichten.
Essen mit Mass
«Bei einem Lebensmittel darf man nicht nur die negativen Aspekte betrachten, sondern auch die positiven», sagte Welti vom SFF. «Fleisch soll mit Mass genossen werden wie jedes andere Lebensmittel auch.»
Der SFF habe die Zahlen der WHO hochgerechnet. Demnach hänge pro Jahr weltweit bei einem von 3000 Toten die Todesursache möglicherweise mit verarbeiteten Würsten zusammen, sagte Welti.
Nur wenige essen täglich Wurst
Auch Proviande, die Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft, hatte die WHO-Warnung am Montag kritisiert. Zwar würden 96 Prozent der Bevölkerung Fleisch essen, «doch nur 15 Prozent davon essen täglich Fleisch», sagte Marcel Portmann, Mitglied der Proviande-Geschäftsleitung, am Freitag.
Die Schweiz sei beim Pro-Kopf-Fleischkonsum mit 52,2 Kilo verkauftem Fleisch pro Jahr das Schlusslicht in Europa. In der Schweiz dürfte es überhaupt nur wenige Menschen geben, die täglich über 50 Gramm verarbeitetes Fleisch essen.
Die internationale Krebsforschungsagentur (IARC) hatte am Montag mitgeteilt, sie sei zum Schluss gekommen, dass das Darmkrebs-Risiko je 50 Gramm verarbeitete Fleisch am Tag um 18 Prozent steige.
Nach einem Sturm vom Protesten erklärte die WHO am Freitag, damit sei nicht gemeint, die IARC verlange Würste, Schinken und anderes verarbeitetes Fleisch gar nicht mehr zu essen. Sie mache aber darauf aufmerksam, dass ein geringerer Verzehr das Krebsrisiko vermindern könne.
Rotes Fleisch hatten die IARC als wahrscheinlich krebserregend eingestuft. Darunter wird das Muskelfleisch aller Säugetiere verstanden, also auch von Rind, Schwein, Lamm, Kalb, Schaf, Pferd und Ziege.
Statistiker: «Wursthysterie»
In Deutschland warnten Statistiker am Freitag vor einer «Wursthysterie» Auch wenn die WHO zum Ergebnis komme, dass durch den Konsum von 50 Gramm Wurst täglich das Darmkrebsrisiko um 18 Prozent steige, sei das zusätzliche Risiko deutlich geringer, als es auf den ersten Blick erscheine, schrieb das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI).
Der Zuwachs beziehe sich nur auf das relative Risiko, an Darmkrebs zu erkranken. Das absolute Risiko einer Erkrankung liege bei 5 Prozent. Durch den Wurstkonsum erhöhe sich dieses Risiko auf 6 Prozent, schrieb das RWI in einer Mitteilung unter dem Titel «Unstatistik des Monats: Wursthysterie».