Erstmals wird ein Lateinamerikaner Chef der Welthandelsorganisation. Die Entscheidung zeigt, dass die Dominanz des Westens in der Weltwirtschaft bröckelt. Der neue Mann steht vor gewaltigen Aufgaben.
Nach einem zähen Ringen hat sich der Brasilianer Roberto Azevêdo am Dienstag als Anwärter auf den prominenten Chefposten der Welthandelsorganisation (WTO) durchgesetzt. Das bestätigte der zuständige Auswahlausschuss der Organisation am Mittwoch.
Azevêdo habe sich als derjenige Kandidat unter neun Anwärtern erwiesen, «der die Zustimmung der WTO-Mitglieder im Konsens erhalten kann», erklärte das Gremium nach einem Treffen der Delegationsleiter der 159-Mitgliedstaaten am Mittwoch. Die Wahl des 55-jährigen Azevedo soll in der kommenden Woche offiziell an einer Versammlung der 159 WTO-Mitgliedstaaten bestätigt werden.
Der als US-kritisch geltende Diplomat und Aussenwirtschaftsexperte brachte es den offiziellen Angaben zufolge in allen drei internen Abstimmungsrunden der WTO auf die grösste Anzahl von Stimmen. Zudem habe er auch die zweite Bedingung für den WTO-Chefposten erfüllt – eine hinreichend grosse Unterstützung in allen Regionen und allen Wirtschaftszonen.
In der letzten Runde setzte sich der 55-jährige Azevêdo am Dienstag gegen Mexikos Ex-Handelsminister Herminio Blanco (62) durch. Dieser galt als Wunschkandidat der USA und der EU. Beide gratulierten inzwischen dem Gewinner.
EU-Handelskommissar Karel De Gucht erklärte, die Europäische Kommission sei überzeugt, dass Azevêdo der WTO helfen werde, die multilaterale Verhandlungen für den Abschluss der Doha-Runde zur Liberalisierung des Welthandels wieder in Gang zu bringen.
Auch die US-Handelskammer sicherte Azevêdo ihre Unterstützung zu. «Wir brauchen die WTO dringender denn je. Die Organisation steht an einem Scheideweg», betonte Kammerpräsident Thomas J. Donohue. Die Konferenz in Bali müsse etwas Vorzeigbares bringen, insbesondere eine Vereinbarung über Handelserleichterungen.