Die brasilianische Regierung hat beim Obersten Gerichtshof Berufung gegen eine richterliche Verfügung eingelegt, mit der die Ernennung des ehemaligen Präsidenten Luiz Inácio «Lula» da Silva zum Kabinettschef gestoppt worden ist.
Die Rechtsanwälte der Regierung forderten am Sonntag (Ortszeit) zudem eine dringliche Plenarsitzung des Gerichtshofs, wie die Zeitung «Folha de São Paulo» berichtete. Die Berufung Lulas ins Kabinett der Staatschefin Dilma Rousseff war am Freitag von einem einzelnen Richter des Gerichtshofs abgelehnt worden, weil damit Korruptionsermittlungen gegen den Ex-Präsidenten blockiert werden könnten.
Minister geniessen dagegen Immunität vor der Strafverfolgung untergeordneter Richter. Die nächste Sitzung des Gerichtshofs ist erst für den 30. März angesetzt. Nach Medienangaben fürchtet die Regierung, das Lula bis dahin von der Justiz vernommen oder sogar verhaftet werden könnte.
Gegen Lula wird unter anderem wegen des Verdachts auf Begünstigung durch einen Baukonzern ermittelt. Stein des Anstosses ist ein Apartment an der Atlantikküste. Bei Auftragsvergaben des Ölkonzerns Petrobras sollen viele Politiker Schmiergelder kassiert haben.
Ex-Präsident befürwortet Amtsenthebungsverfahren
Unterdessen sprach sich auch Brasiliens Ex-Präsident Fernando Henrique Cardoso für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Rousseff aus. Die Massenproteste gegen die Regierung zeigten den Willen des Volkes, sagte Cardoso der Zeitung «O Estado de São Paulo» von Sonntag.
Der 84-jährige führende Vertreter der oppositionellen Zentrumspartei PSDB erklärte, nach anfänglichen Zweifeln an einem Amtsenthebungsverfahren habe er seine Meinung «nach und nach» geändert.
Angesichts der «Funktionsunfähigkeit» der Regierung sei er der Auffassung, nun müsse der Weg der Amtsenthebung beschritten werden, fügte Cardoso hinzu. Dem «Verfall von Wirtschaft und Gesellschaft» zuzuschauen sei «mindestens so schmerzhaft» wie ein Amtsenthebungsverfahren.