Ex-EU-Kommissarin Neelie Kroes hat Post von der EU-Kommission erhalten: Brüssel möchte weitere Informationen zum Vorwurf, sie habe während ihrer Amtszeit eine Briefkastenfirma auf den Bahamas geführt. Kroes spricht von einem Versehen.
Die «Süddeutsche Zeitung» und andere Medien hatten am Donnerstag berichtet, Kroes sei während ihrer Zeit als EU-Kommissarin zwischen 2004 und 2014 Direktorin der Mint Holdings Limited auf den Bahamas gewesen. Insgesamt soll sie die Briefkastenfirma von 2000 bis 2009 geführt haben.
Die Zeitung beruft sich dabei auf interne Dokumente aus dem Unternehmensregister des Inselstaates, die ihr zugespielt worden sind. Da Kroes dies während ihrer Zeit bei der EU-Kommission nicht angegeben hatte, verstiess sie wohl gegen Offenlegungspflichten.
Die Niederländerin ihrerseits spricht von einem Versehen. Die Ex-Kommissarin habe am letzten Freitag die EU-Kommission darüber informiert, hiess es seitens der EU-Kommission. Am Mittwoch sei ein Brief mit Fragen an Kroes gegangen. «Die Kommission wird ihre nächsten Schritte bekannt geben, wenn die Fakten auf dem Tisch liegen», sagte ein Sprecher der EU-Kommission.
Kommt die Kommission zum Schluss, dass Kroes damit ihre Pflichten verletzt hat, so kann sie sich an den EU-Gerichtshofs (EuGH) wenden. Dieser hat gemäss dem Lissabon-Vertrag die Möglichkeit, Sanktionen auszusprechen – etwa «Ruhegehaltsansprüche oder andere an ihrer Stelle gewährte Vergünstigungen aberkennen». Kroes verzichtete jedoch auf ein Ruhegehalt von der EU.
Die heute 75-Jährige war von 2004 bis 2010 EU-Kommissarin für Wettbewerb, anschliessend vier Jahre lang Kommissarin für die Digitale Agenda. Im Mai dieses Jahres holte der umstrittene Fahrdienst-Vermittler Uber aus den USA Kroes in ein neues Beratungsgremium für politische Fragen.
Scharfe Kritik
Scharfe Kritik kam vom finanz- und wirtschaftspolitischen Sprecher der Grünen im EU-Parlament: «Neelie Kroes ist ein herausragendes Negativbeispiel für die Beschädigung von Vertrauen in die Politik», sagte Sven Giegold am Donnerstag.
Das Verschweigen ihrer Geschäftstätigkeiten auf den Bahamas sei eine schwere Verletzung ihrer Amtspflichten, sagte Giegold weiter. Die Entwicklungen seien «die unrühmliche Krone» eines von Interessenkonflikten geprägten Lebenslaufs. «Sie wechselte zwischen Politik und Wirtschaft hin und her.»
Briefkastenfirmen sind Unternehmen, die ihren Sitz häufig in Steueroasen haben und deren wahre Eigentümer nach aussen meist nicht bekannt sind. Ihr Betrieb ist nicht illegal; sie können aber zum Beispiel für Steuerflucht missbraucht werden. In den Daten fänden sich die Namen weiterer hochrangiger Politiker, schreibt die «Süddeutsche Zeitung».
Die Bahamas-Enthüllungen sind bereits das zweite Datenleck in diesem Jahr aus der Welt der Steueroasen. Anfang April hatten Medien weltweit über Tausende in Panama gegründete Briefkastenfirmen berichtet, in denen Politiker, Prominente und Sportler ihr Vermögen geparkt haben sollen.