Die EU-Kommission erhöht den Druck auf London: «Die Zeit wird kurz sein», sagte Michel Barnier, Brexit-Chefunterhändler der EU-Kommission, zu den EU-Austrittsverhandlungen mit Grossbritannien. Die Vereinbarung mit London will er innerhalb von 18 Monaten abschliessen.
Der Franzose trat am Dienstag in Brüssel zum ersten Mal offiziell als Brexit-Chefuntehändler vor die Medien. Er nutzte seinen Auftritt, um London nochmals klar und deutlich die Bedingungen der EU für einen Austritt aus der Union darzulegen.
Die Briten hatten im Juni für den Brexit gestimmt. Die britische Premierministerin Theresa May kündigte nach dem Volksentscheid an, Ende März 2017 den Artikel 50 des EU-Vertrages auslösen zu wollen. Damit würde der Austrittsprozess gestartet, der nach zwei Jahren zwingend abgeschlossen sein muss.
Es ist das erste Mal, dass ein Land die EU verlassen will. Man begebe sich in «unerforschte Gewässer», sagte Barnier und bezeichnete die bevorstehenden Verhandlungen als «rechtlich komplex» und «politisch sensibel». Diese hätten «wichtige Folgen für unsere Volkswirtschaften».
Einigung bis Oktober 2018
Der EU-Chefunterhändler machte deutlich, dass – wenn Grossbritannien wie angekündigt Ende März den Artikel 50 auslöst – bis Oktober 2018 eine Einigung stehen muss. Denn anschliessend müsse diese noch von den Parlamenten ratifiziert werden, sagte er. Die endgültige Vereinbarung soll dann im März 2019 vorliegen – zwei Jahre nach dem Auslösen von Artikel 50.
Die EU sei bereit, «die Notifikation Grossbritanniens entgegenzunehmen», sagte er weiter. Doch ob May ihren Zeitplan einhalten kann, ist noch ungewiss.
Nicht nur scheint die britische Regierung nicht wirklich über eine Verhandlungsstrategie zu verfügen, auch muss das oberste britische Gericht, der Supreme Court, noch entscheiden, ob das Parlament für den Antrag bei der EU einbezogen werden muss oder nicht. Entscheidet das Gericht zu Gunsten der Volksvertreter, dann dürfte es für May schwierig werden.
Warnung vor Rosinenpicken
Barnier warnte London zudem vor überzogenen Wünschen und Vorstellungen: «Es gibt keine Rosinenpickerei.» Schliesslich seien die vier Grundfreiheiten des Binnenmarktes untrennbar. Den Briten müsse klar sein, dass sie künftig als Drittstaat nicht gleich behandelt werden könnten wie ein EU-Mitglied.
Gerne würde London nämlich den Zugang zum Binnenmarkt behalten – jedoch ohne die ungeliebte Personenfreizügigkeit. Der britische Finanzminister Philip Hammond sagte am Dienstag am Rande des EU-Finanzministertreffens in Brüssel, Grossbritannien könne doch nach dem Brexit weiter ins EU-Budget einbezahlen und dafür den Zugang zum Binnenmarkt behalten.
Barnier, der ehemalige französische EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen, war von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zum Brexit-Chefunterhändler ernannt worden. Im Oktober hatte er sein Amt angetreten und seither in seiner neuen Funktion 18 der 27 EU-Hauptstädte besucht. Bis Ende Januar will er dann auch die verbliebenen Hauptstädten aufgesucht haben.