Die Atomausstiegsinitiative der Grünen würde zu Versorgungslücken führen, die Sicherheit gefährden und Milliarden an Entschädigung kosten. Davon sind die bürgerlichen Parteien – mit Ausnahme der Grünliberalen – überzeugt.
Vertreter von SVP, CVP, FDP und BDP warnten am Dienstag vor den Medien in Bern vor der «extremen Ausstiegsinitiative», über die am 27. November abgestimmt wird. Es handle sich um eine «Mogelpackung», sagte CVP-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt (SO). Bei einer Annahme müssten drei Atomkraftwerke schon 2017 vom Netz genommen werden. Es sei jedoch völlig unmöglich, eine hoch komplexe AKW-Stilllegung innerhalb eines Jahres zu bewerkstelligen.
Zudem stellten fixe Laufzeiten die Sicherheit in Frage, ist Müller-Altermatt überzeugt. Anders als heute würden AKW-Betreiber auf zusätzliche Investitionen verzichten, weil sie diese nicht mehr amortisieren könnten, sagte er. Von einem geordneten Ausstieg könne daher keine Rede sein, vielmehr drohe ein chaotischer Ausstieg aus der Atomenergie.
Grosse Lücke
Hinzu kommt laut den Gegnern der Initiative eine drohende Versorgungslücke. Wenn 2029 das letzte AKW abgeschaltet würde, fehlten 22 Terawattstunden Energie. Das ist mehr als ein Drittel des heutigen Stromverbrauchs. Diese Lücke könne mit dem Import von Strom geschlossen werden oder mit dem Bau neuer Gaskraftwerke, erklärte der Berner BDP-Ständerat Werner Luginbühl.
Die Initianten sind überzeugt, dass die Ausfälle in der Stromproduktion mit einheimischem und importiertem Strom aus Wasser, Sonne, Wind und Biomasse klimafreundlich ersetzt werden könnten. Nach Ansicht von Luginbühl würde die Einfuhr von ausländischem Strom jedoch dazu führen, dass künftig mehr Kohlestrom aus Deutschland und Atomstrom aus Frankreich aus Schweizer Steckdosen fliessen würde.
Kohle wie auch Gas würden die CO2-Bilanz der Schweiz verschlechtern. Und auf die Sicherheit französischer AKW habe die Schweiz kaum Einfluss. «Die Initiative würde das Problem nur ins Ausland abschieben», sagte Luginbühl. Er erinnerte auch daran, dass derzeit die Transformatoren fehlten, um Strom von ausländischen 380-Kilovolt-Netzen auf Schweizer 220-Kilovolt-Netze umzuwandeln. Ohne diese sei importierter Strom unbrauchbar.
Der Berner SVP-Nationalrat Albert Rösti warnte seinerseits vor Milliardenforderungen der AKW-Betreiber. Auch der Bundesrat sei der Ansicht, dass die Begrenzung der Laufzeit einen Eingriff in die Eigentumsgarantie darstelle und eine Entschädigungspflicht begründe. Die AKW-Betreiber hätten insgesamt rund 6,3 Milliarden Franken investiert, die nicht mehr amortisiert werden könnten.
Allein die Axpo beziffere den wirtschaftlichen Schaden bei Annahme der Initiative aus 1,5 Milliarden bis 2 Milliarden Franken, sagte Rösti. Gemäss den Gegnern gingen die Entschädigungszahlungen zu Lasten der Steuerzahler. Diese wären als Stromkonsumenten wegen der höheren Strompreise doppelt bestraft.
Uneinig über Energiestrategie
Die Gegner der Initiative wollen die Schweizer AKW daher so lange am Netz lassen, wie sie sicher sind. Dieses Vorgehen ist auch im ersten Massnahmenpaket der Energiestrategie 2050 verankert, welches das Parlament in der Herbstsession verabschiedet hat.
Über diese Vorlage herrscht unter den Gegnern der Atomausstiegs-Initiative jedoch keine Einigkeit: Während CVP und BDP die Energiestrategie grundsätzlich unterstützen und die FDP schwankt, sammelt die SVP Unterschriften für ein Referendum. Auf die Beurteilung der Initiative habe dies jedoch keinen Einfluss, sagte Müller-Altermatt. Diese sei auf jeden Fall schlecht.
Auch der Bundesrat hat sich gegen die Volksinitiative «Für den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie» ausgesprochen. Auf der Seite der Grünen kämpfen SP, die Grünliberalen und die EVP sowie Umweltorganisationen und -verbände für die Atomausstiegsinitiative.