Die Tarmed-Verhandlungen sind gescheitert. Der Bund gewährt den Tarifpartnern aber eine Gnadenfrist von vier Monaten, um sich auf eine neue Tarifstruktur zu einigen. Danach entscheidet der Bundesrat.
Der Ärztetarif Tarmed, nach dem ambulante medizinische Leistungen vergütet werden, ist längst nicht mehr sachgerecht. Einige Leistungen können wegen des technischen Fortschritts heute viel günstiger erbracht werden als noch vor einigen Jahren, der Preis ist aber nicht gesunken. Neuere Leistungen hingegen sind teilweise noch gar nicht richtig im Tarif abgebildet.
Seit Jahren arbeiten Ärzteschaft, Krankenkassen und Spitäler daher an einer Tarmed-Revision. Dieser umfasst rund 4600 Positionen, und um viele davon wurde erbittert gefeilscht. Umstritten war auch, wie auf Kostensteigerungen im Gesundheitswesen reagiert werden sollte. Eine Art Ausgabenbremse, die den Krankenkassen vorschwebte, war für die Ärzte jedoch undenkbar.
Wegen unüberbrückbarer Differenzen hatte sich der Krankenkassen-Dachverband santésuisse schon früh verabschiedet. Der Krankenkassenverband curafutura von CSS, Helsana, KPT und Sanitas verhandelte allein mit Spitälern und Ärzten. Doch die Einigung, die im letzten April zu Stande gekommen war, fiel bei der Basis durch. Nur der Spitalverband H+ bekannte sich letztlich zur neuen Tarifstruktur.
Am Freitag nun hat das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) von Gesundheitsminister Alain Berset die Tarmed-Revision offiziell für gescheitert erklärt. Das ist bedeutsam, denn seit einer Gesetzesänderung von 2013 kann der Bundesrat selber einen Tarif erlassen, wenn der geltende nicht mehr sachgerecht ist und sich die Tarifpartner nicht auf eine Anpassung einigen können.
Ungeliebter Amtstarif
Zunächst gewährt das EDI den Tarifpartnern aber noch eine Nachfrist von vier Monaten. Eine Einigung ist unwahrscheinlich, denn die Positionen der Tarifpartner liegen allzu weit auseinander. Dabei hätten alle Seiten grosses Interesse daran, einen «Amtstarif» zu vermeiden.
Und auch der Bundesrat dürfte die Aufgabe nur widerwillig anpacken. Um eine umfassende, sachgerechte Revision mit einer völlig neuen Tarifstruktur auszuarbeiten, fehlen der Verwaltung die Kapazität und vorläufig auch das nötige Datenmaterial.
Wahrscheinlicher ist daher, dass der Bundesrat die gescheiterte Verhandlungslösung teilweise übernimmt und punktuelle Anpassungen macht. Das wird beispielsweise das viel zitierte Beispiel der Operation eines grauen Stars betreffen. Diese ist dank technischer Fortschritte viel einfacher geworden, wird aber noch gleich entschädigt wie vor zehn Jahren. Hier kann der Bundesrat ansetzen.
Umstrittener Kostendeckel
Zudem wird er einen Mechanismus festlegen müssen, um eine Mengenausweitung zu verhindern. Die Verhandlungspartner hatten eine Lösung ausgearbeitet, wie ein Anstieg des Taxpunktvolumens bei Einführung der neuen Tarifstruktur verhindert werden könnte. Santésuisse hingegen will das Kostenwachstum nachhaltiger bremsen. Der Dachverband schlägt unter anderem vor, gewisse Leistungen vermehrt pauschal zu vergüten.
Der Spitalverband H+ hat am Donnerstag mitgeteilt, den Tarmed-Rahmenvertrag mit santésuisse per Ende Jahr zu kündigen. Damit es nicht zu einem vertragslosen Zustand in der ambulanten Versorgung kommt, will der Bundesrat die geltende Tarifstruktur in einer Verordnung festlegen, wie er in seiner Mitteilung schreibt.