Die Lage in Eritrea hat sich aus Sicht des Bundes nicht grundlegend geändert. Kleinere Fortschritte gibt es aber. Deshalb will das Staatssekretariat für Migration (SEM) nun bestimmte Personengruppen aus Eritrea nicht mehr als Flüchtlinge anerkennen.
Die Asylpraxis soll in den nächsten Monaten angepasst werden, wie Pius Betschart, Vizedirektor im SEM, am Donnerstag vor den Medien in Bern sagte. Die Änderung sei aber von beschränkter Tragweite, betonte er. Betroffen seien voraussichtlich wenige hundert Personen pro Jahr.
Es handelt sich um Personen, die noch nie für den eritreischen Nationaldienst aufgeboten worden sind, vom Nationaldienst befreit oder aus dem Nationaldienst entlassen wurden. Das SEM ist zum Schluss gelangt, dass diesen keine langen Haftstrafen drohen. Ausserdem besteht für solche Personen laut dem SEM die Möglichkeit, ihr Verhältnis zum Staat zu regeln.
Neue Fakten
Die Basis für die Praxisänderung bildet ein aktualisierter Bericht, in den Erkenntnisse aus einer sogenannten Fact-Finding-Mission eingeflossen sind. Das SEM hatte im Februar und März in Eritrea Informationen gesammelt.
Wie viele der von der neuen Praxis Betroffenen nach Eritrea zurückkehren werden, ist allerdings offen: Zwangsausschaffungen sind ausgeschlossen, weil das Land sich weigert, Zwangsausgeschaffte zurückzunehmen.
Freiwillige Rückkehr
Möglich ist eine freiwillige Rückkehr mit Rückkehrhilfe. Das wird laut dem SEM teilweise bereits heute genutzt. Künftig könnte die Möglichkeit auch von Personen genutzt werden, die neu nicht mehr als Flüchtlinge anerkannt werden. Das SEM denkt etwa an alte Menschen, die aus dem Nationaldienst entlassen wurden.
Ob auch unbegleitete Minderjährige betroffen sein könnten, die noch nicht vom Nationaldienst aufgeboten wurden, wird sich zeigen. Wie die neue Praxis aussehen wird, hängt auch davon ab, ob das Bundesverwaltungsgericht in solchen Fällen die Wegweisung als zumutbar erachtet oder eine vorläufige Aufnahme verfügt.
«Im Zweifel für den Flüchtling»
Betschart betonte, der Einzelfall werde nach wie vor sorgfältig geprüft werden, nach dem Grundsatz «im Zweifel für den Flüchtling». Die geplante Anpassung könne das SEM verantworten. Kein Verständnis zeigte er jedoch für die Forderungen mancher Parlamentarier, die Praxis generell zu ändern oder die Schutzquote zu senken.
«Ich staune immer wieder, wie leichtfertig pauschal geurteilt wird», sagte der SEM-Vizedirektor. Er rief in Erinnerung, dass es ein rechtsstaatliches Verfahren gibt. Der Bund trage die Verantwortung dafür, dass Menschen nicht in Länder zurückgeschickt würden, wo ihnen beispielsweise Folter drohe.
Nicht ohne gewisse Garantien
Auch Eduard Gnesa, Sonderbotschafter für Migration, wies auf diese Verantwortung hin: Solange es nicht gewisse Garantien gebe, sei es verantwortungslos, Menschen in ein Land zurückzuschicken. Der Bund unternehme grosse Anstrengungen und sei offen für einen Dialog mit Eritrea. Dafür brauche es aber beide Seiten. Eritrea müsste bereit sein, seinen Bürgerinnen und Bürgern grundlegende Rechte zu gewähren.
Zu den zwingenden Voraussetzungen gehört für die Schweiz, dass Eritrea dem IKRK Zugang zu Gefängnissen gewährt. Das hatte vergangene Woche schon Aussenminister Didier Burkhalter im Parlament gesagt. Gnesa wiederholte die Forderung am Donnerstag.
Folter und Sklaverei
Mit raschen Fortschritten rechnet das SEM nicht. In den kommenden Monaten könnte es gar schwieriger werden, weil der UNO-Menschenrechtsrat voraussichtlich nächste Woche eine Resolution verabschiedet. Grundlage bildet der Bericht, den der Menschenrechtsrat in Auftrag gegeben hatte.
Laut diesem sind Menschenrechtsverletzungen in Eritrea an der Tagesordnung. Berichtet wird von Sklaverei, Folter und aussergerichtlichen Hinrichtungen. Die UNO-Kommission empfiehlt den Staaten, schutzsuchende Eritreer als Flüchtlinge aufzunehmen.
Gnesa stellte fest, dass es in anderen Ländern keine Diskussion darüber gebe, ob eritreische Asylsuchende Schutz erhalten sollten oder nicht. In Deutschland etwa werde der Schutzanspruch trotz einer höheren Zahl eritreischer Asylsuchender nicht in Frage gestellt.