Der Mangel an Alternativen treibt Migranten in die Hände von kriminellen Schlepperbanden, kommt das Bundesamt für Polizei in einem aktuellen Bericht zum Schluss. Der Bund will nun reagieren.
Das Bundesamt für Polizei (fedpol) will den Kampf gegen gewerbsmässigen Menschenschmuggel verstärken. Denn immer mehr Migrantinnen und Migranten fallen aus Mangel an Alternativen in die Hände von kriminellen Schlepperbanden. Die Schweiz sei ein wichtiges Transit- und Zielland für den Menschenschmuggel, heisst es in einem Bericht, den das fedpol am Dienstag veröffentlichte.
Die meisten Migranten würden auf dem Landweg durch die Balkanstaaten in die Schweiz geschleppt. Jene Migranten, die nach der oft gefährlichen Überfahrt über das Mittelmeer italienisches Festland erreicht haben, werden häufig via Mailand in die Schweiz geschleust.
Das nahegelegene Tessin wird im Bericht denn auch als eines der Eingangstore in die Schweiz bezeichnet. Durch Chiasso führe eine «sehr wichtige Transitachse nach Norden», die die Schweiz nicht nur als Zielland, sondern auch als Transitland attraktiv mache. Seit dem Sommer 2013 wählten die teilweise in der Schweiz wohnhaften Schlepperfahrer zunehmend den Weg via die Region Genf.
Zu den wichtigsten Herkunftsländern sowohl der Schlepper wie auch der Geschleppten zählt der Bericht den Kosovo. Viele Schlepper kommen zudem aus dem Nahen und Mittleren Osten, Eritrea sowie vermehrt auch aus China, Sri Lanka und gewissen Regionen Afrikas.
Wenige Verurteilungen
Als Menschenschmuggel gilt die Förderung der rechtswidrigen Ein- und Ausreise. Eine Befragung von Asylsuchenden in der Schweiz habe ergeben, dass 80 Prozent der Befragten über Schlepper eingereist seien, schreibt das Fedpol. Dass Migranten zunehmend Schleuser in Anspruch nähmen, hänge auch mit der verschärften Migrationspolitik in Europa zusammen.
Gemessen an der Zahl der Geschleppten kommt es in der Schweiz äusserst selten zu Verurteilungen wegen gewerbsmässigem Menschenschmuggel. Zwischen 2008 und 2012 waren es jährlich zwischen sieben und 22 Fälle.
Die Haftstrafen waren verhältnismässig gering – was gemäss dem Bericht darauf hindeutet, dass es sich bei den Verurteilten um Schlepper der unteren Hierarchiestufe handelte. «Die eigentlichen Drahtzieher können aber weiterhin risikolos ihrer kriminellen Tätigkeit nachgehen.»
Mehr Bundeskompetenzen
Aufgrund der kleinen Zahl der tatsächlich ermittelten Menschenschmuggel-Fälle spricht das fedpol von einem Defizit bei der Bekämpfung des Phänomens. Dem Menschenschmuggel werde nicht genügend Priorität eingeräumt, zudem fehlten die notwendigen Spezialkenntnisse. Diese Mängel wüssten die Täter geschickt auszunützen.
Der Bericht enthält mögliche Lösungsansätze: Dazu zählt die gezielte und konsequente Ausbildung und Benennung von Spezialisten bei Polizei und Justiz. Ausserdem sollten Ermittlungen im Bereich des Menschenschmuggels in allen Kantonen den Kriminalabteilungen der Polizeikorps zugewiesen und Ermittlungshinweise konsequent verwertet werden.
Ausserdem schlägt das fedpol eine fakultative Bundeskompetenz bei der Strafverfolgung vor. Will heissen: Anders als heute sollen auch die Bundesbehörden im Bereich des gewerbsmässigen Menschenschmuggels Ermittlungen aufnehmen können. Eine solche Kompetenz hat der Bund heute bereits im Bereich der Wirtschaftskriminalität.