Vom Schwimmbad bis zum Spielplatz: Asylsuchende haben in der Schweiz nicht überall Zutritt. Doch sind solche Einschränkungen auch rechtens? Zu solchen Fragen hat die Universität Zürich im Auftrag der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus ein Gutachten erstellt.
Bund, Kantone und Gemeinden schränken die Grundrechte von Asylsuchenden unverhältnismässig stark ein, indem sie ihre Bewegungsfreiheit unter anderem durch Rayonverbote begrenzen. Zu diesem Schluss kommt ein Rechtsgutachten der Universität Zürich.
«Kollektive Ein- und Ausgrenzungen verletzen die Bewegungsfreiheit, da sie weder auf einer genügenden Grundlage beruhen noch ein verfassungsrechtlich schützenswertes öffentliches Interesse verfolgen», schreiben die beiden Gutachterinnen Regina Kiener und Gabriela Medici vom Kompetenzzentrum für Menschenrechte der Universität Zürich im am Montag veröffentlichten Gutachten.
» Das Rechtsgutachten als PDF: Asylsuchende im öffentlichen Raum
Ein- und Ausgrenzungen seien auch mit dem im Verhältnismässigkeitsgrundsatz enthaltenen Störerprinzip nicht vereinbar, schreiben sie zum Thema kollektive Rayonverbote für Asylsuchende.
Das Gutachten wurde in Auftrag der Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) erstellt. Diese hatte sich an die Uni gewandt, weil der Bewegungsspielraum von Asylsuchenden zuletzt immer stärker eingeengt wurde.
So wurde Asylsuchenden der Zutritt zu öffentlichen Einrichtungen wie Schwimmbädern verweigert, oder sie wurden von öffentlichen Plätzen wie etwa Schulhausarealen oder Spielplätzen weggewiesen.
Die EKR wollte in diesem Zusammenhang klären, ob solche und andere Einschränkungen mit den Grund- und Menschenrechten vereinbar seien, oder anderes gefragt mit der Bundesverfassung und verschiedenen völkerrechtlichen Verträgen, die die Schweiz abgeschlossen hat.
Türen in Asylzentren schliessen zu früh
Die beiden Juristinnen nahmen auch die Ausgangszeiten in den vom Bund betriebenen Asylunterkünften unter die Lupe. Sie kamen zum Schluss, dass dieser Eingriff in die Bewegungsfreiheit auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage stehe.
Die Regeln dienten zur «Aufrechterhaltung eines ordnungsgemässen Anstaltsbetriebs und der Durchführung effektiver Asylverfahren» und verfolgten damit «ein zulässiges öffentliches Interesse».
Allerdings rügt das Gutachten, dass die Regelung der Ausgangszeiten «in personeller und in zeitlicher Hinsicht über das Erforderliche» hinausgehe und deshalb unverhältnismässig sei. Sie sei damit nicht vereinbar mit Artikel 10 (Absatz 2) der Bundesverfassung.
Dies bedeutet, dass die Gutachterinnen der Auffassung sind, dass der Bund in den Bundesasylzentren die Asylbewerber zu lange einschliesst und damit gegen die eigene Bundesverfassung verstösst. In Artikel 10 (Abs. 2) heisst es: «Jeder Mensch hat das Recht auf persönliche Freiheit, insbesondere auf körperliche und geistige Unversehrtheit und auf Bewegungsfreiheit.» Dabei wird nicht zwischen Schweizern und Ausländern, Asylsuchenden oder abgewiesenen Asylbewerbern unterschieden.
Kantone: Gesetzliche Grundlagen fehlen
In den Kantonen dürfte gemäss Gutachten bereits eine genügende gesetzliche Grundlage fehlen, sollten die Asylsuchenden in kantonalen Unterkünften ähnliche Ausgangsbeschränkungen erfahren.
Zu Wegweisungen von öffentlich zugänglichen Orten heisst es im Rechtsgutachten, es könne auch dann bereits ein «verfassungsrechtlich relevanter Eingriff in die Bewegungsfreiheit» vorliegen, wenn den Asylsuchenden auf andere Art und Weise kommuniziert werde, dass ihre Anwesenheit nicht erwünscht sei.
Geklärt wurde auch die Frage, wer schlussendlich verantwortlich ist, wenn Grundrechte von Asylsuchenden verletzt werden: der Staat oder die private Firma, die im Auftrag von Bund oder Kanton eine Unterkunft betreibt. Die Antwort der Juristinnen: Die Eingriffe seien dem Auftraggeber, dem Staat, anzurechnen.
Gleichheitsgebot geritzt
Im Gutachten wurde auch untersucht, ob die Behörden nicht die in der Bundesverfassung verankerten Gleichheitsgarantien verletzt hätten. Die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit sei auch aus dieser Perspektive «problematisch».
Es seien «kaum haltbare Gründe ersichtlich, weshalb der (prekäre) Aufenthaltsstatus von Asylsuchenden einen geeigneten Anknüpfungspunkt für Massnahmen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit darstellt». Zudem müssten die Behörden aufpassen, dass sie Asylsuchende nicht diskriminierten.