Im Streit um den Fremdsprachenunterricht kann der Bund den Kantonen unter Umständen vorschreiben, die Kinder bereits in der Primarschule in einer zweiten Landessprache zu unterrichten. Nicht festlegen darf er jedoch, welches die erste Fremdsprache ist.
Dies hält das Bundesamt für Kultur (BAK) in einem Bericht fest, welchen die Bildungskommission des Ständerates (WBK) verlangt hatte. Der am Freitag publizierte Bericht wird als Grundlage zur Behandlung diverser parlamentarischer Vorstösse dienen.
Als mögliche gesetzliche Regelung schlägt das BAK folgende Formulierung vor: «Sie (Bund und Kantone) setzen sich im Rahmen ihrer Zuständigkeit für einen Fremdsprachenunterricht ein, der gewährleistet, dass die Schülerinnen und Schüler am Ende der obligatorischen Schulzeit über Kompetenzen in mindestens einer zweiten Landessprache und einer weiteren Fremdsprache verfügen.»
Handlungsfreiheit der Kantone
Ergänzt würde der Artikel mit dem Satz: «In der zweiten Landessprache beginnt der Unterricht auf der Primarschulstufe.» Diese Lösung lehne sich an die HarmoS-Lösung an, ohne die Einstiegsfremdsprache, die Reihenfolge und ein bestimmtes Schuljahr für den Beginn des jeweiligen Fremdsprachenunterrichts festzulegen, schreibt das BAK. Die Handlungsfreiheit der Kantone bliebe damit gewahrt.
Auch blieben Sonderlösungen für die Kantone Tessin und Graubünden möglich.
Alternative zu parlamentarischen Vorschlägen
Der Bund schlägt diese Lösung als Alternative zu zwei parlamentarischen Initiativen der nationalrätlichen Bildungskommission vor. Die eine will festlegen, dass der Unterricht in einer zweiten Landessprache spätestens zwei Jahre vor Ende der Primarschule beginnt. Gemäss der anderen soll der Bund den Kantonen vorschreiben, dass als erste Fremdsprache eine zweite Landessprache zu unterrichten ist.
Diese Vorschläge sind aus Sicht des BAK problematisch, da der Bund damit in die Kompetenzen der Kantone eingreifen und seine eigenen überschreiten würde. Auch der Alternativvorschlag des BAK kommt indes nur in Frage, wenn die Kantone ihren Auftrag nicht erfüllen.
Seit der Revision der Bildungsbestimmungen in der Bundesverfassung im Jahr 2006 sind die Kantone verpflichtet, den Unterricht zu harmonisieren. Diesem Auftrag wollen sie mit dem HarmoS-Konkordat nachkommen, das regelt, wie die Harmonisierung erfolgen soll.
Das Konkordat ist derzeit für 15 Beitrittskantone verbindlich. Diese müssen die Bestimmungen bis im Sommer umsetzen. Die verfassungsmässige Pflicht zur landesweiten Harmonisierung gilt jedoch für alle Kantone.
Bilanz im Sommer
Erfüllen die Kantone den verfassungsmässigen Harmonisierungsauftrag nicht, so ist der Bund nicht bloss ermächtigt, sondern verpflichtet, die notwendigen Bestimmungen zu erlassen, wie der Bericht festhält. Ob die Voraussetzungen für eine Intervention des Bundes gegeben sind, entscheidet das Parlament. Solange eine Koordination der Kantone erreichbar bleibt, darf der Bund indes nicht eingreifen.
Ob die Koordination möglich bleibe, werde im Sommer beurteilt werden können, schreibt das BAK. Dann läuft die im Konkordat definierte Frist für die Umsetzung des Verfassungsauftrags ab. Sollten in einem Kanton bereits vorher Entscheide fallen, die der Harmonisierungspflicht widersprächen, behalte sich der Bundesrat vor, mit den gesetzgeberischen Vorarbeiten zu beginnen.
Frühfranzösisch streichen
In verschiedenen Deutschschweizer Kantonen laufen Bestrebungen, dass auf der Primarstufe nur noch eine Fremdsprache unterrichtet wird. So hat im Kanton Thurgau das Parlament die Regierung beauftragt, den obligatorischen Französischunterricht aus dem Lehrplan der Primarstufe zu streichen.
Im Kanton St. Gallen soll die Regierung prüfen, ob Französisch auf die Oberstufe verlagert werden soll. Der Kanton Schaffhausen will sich für eine Anpassung von HarmoS mit nur noch einer obligatorischen Fremdsprache auf der Primarstufe starkmachen. Und in den Kantonen Nidwalden, Luzern und Graubünden wurden Volksinitiativen eingereicht, die verlangen, dass auf Primarstufe nur eine Fremdsprache unterrichtet wird.