Ein Polizist, der 2010 einen französischen Autodieb erschossen hat, muss sich nun doch vor der Freiburger Justiz verantworten. Das Bundesgericht hat die Beschwerde des Zwillingsbruders des Getöteten gutgeheissen und die Einstellung des Verfahrens aufgehoben.
Eine Bande aus der Banlieue der französischen Stadt Lyon hatte im April 2010 in einer Garage in Lyss BE mehrere Luxusautos gestohlen. Um die flüchtenden Täter zu stellen, errichteten Waadtländer Polizisten im Autobahntunnel bei Sévaz FR eine Strassensperre.
Keine Tötungsabsicht
Als eines der gestohlenen Fahrzeuge auf die Sperre zuraste, gab ein Polizist mehrere Schüsse auf den Wagen ab und traf dabei den Beifahrer tödlich, der sich auf seinem Sitz nach unten gebückt hatte.
Die Familie des Verstorbenen erstattete in der Folge Anzeige gegen den Schützen wegen vorsätzlicher beziehungsweise fahrlässiger Tötung oder Gefährdung des Lebens. Die Freiburger Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren jedoch ein, was vom Kantonsgericht im vergangenen Oktober bestätigt wurde.
Die Freiburger Richter waren zum Schluss gekommen, dass der Polizist keine Tötungsabsicht gehabt und sich in einer Notwehr-Situation befunden habe. Die Errichtung der Strassensperre im Tunnel habe zudem den Vorschriften entsprochen.
Im Zweifelsfall anklagen
Das Bundesgericht hat die Beschwerde des Zwillingsbruders des Erschossenen nun gutgeheissen. Die Staatsanwaltschaft wird angewiesen, beim zuständigen Gericht gegen den Polizisten Anklage zu erheben und zuvor allenfalls noch ergänzende Untersuchungen durchzuführen.
Laut den Richtern in Lausanne kann das Vorliegen strafrechtlich relevanter Umstände nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. In diesem Verfahrensstadium gelte nicht der Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“, sondern „im Zweifelsfall Anklage erheben“. (Urteil 1B_687/2011 vom 27.3.2012)