Bundespräsidentin Sommaruga appelliert an Toleranz der SVP

Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (SP) hat am Freitag an der Albisgüetli-Tagung in Zürich die SVP zu Toleranz gegenüber Andersdenkenden aufgefordert. Was Hass, Verachtung und fehlender Dialog ausrichten könnten, habe sich beim Attentat in Paris gezeigt.

Christoph Blocher und Bundespräsidentin Sommaruga (Bild: sda)

Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga (SP) hat am Freitag an der Albisgüetli-Tagung in Zürich die SVP zu Toleranz gegenüber Andersdenkenden aufgefordert. Was Hass, Verachtung und fehlender Dialog ausrichten könnten, habe sich beim Attentat in Paris gezeigt.

Meinungsvielfalt und der echte Respekt vor anderen Meinungen seien höchste Werte in jeder Demokratie, sagte die Justizministerin vor rund 1100 SVP-Mitgliedern und Gästen im Albisgüetli. Grosse Parteien wie die SVP hätten mehr Macht als andere, und wer Macht habe, habe auch Verantwortung.

Klare Stellungnahmen erwarte sie von der SVP zu Fragen, auf die es klare und unmissverständliche Antworten brauche. Die Frage, ob es in der Schweiz ein Recht auf Asyl geben soll oder nicht, vertrage kein Lavieren.

Kein Hin und Her vertrage auch die Frage, ob die Schweiz sich zum internationalen Schutz der Menschenrechte bekenne. Wer bei den Menschenrechten mit unklaren Botschaften spiele, spiele mit dem Feuer.

Für den Bundesrat sei klar: «Das Bekenntnis der Schweiz zum internationalen Schutz der Menschenrechte ist unverhandelbar», betonte die Bundespräsidentin. Und das Recht auf Asyl sei unantastbar.

Vor Sommaruga hatte Christoph Blocher das Wort ergriffen und die Bundespräsidentin mit einem Kompliment überrascht. Mit ihrer Neujahrsansprache habe sie ihm viel Freude gemacht. «Dass sie die Liebe zur direkten Demokratie betonten, war für mich ein Weihnachtswunder», sagte der ehemalige Bundesrat.

Direkte Demokratie angeblich ausgehebelt

Danach gab sich Blocher in seinem Referat gewohnt kämpferisch. Gegen die direkte Demokratie sei ein Grossangriff im Gange, stellte er fest. Mit Tricks und Unterzügen versuchten Bundesrat sowie National- und Ständerat Volksrechte, Stimmrechte und Volksentscheide ausser Kraft zu setzen, indem sie sich auf Verhältnismässigkeit oder Völkerrecht beriefen.

Sorgen bereiten Blocher die «besonderen Säulen des liberalen Rechtsstaates». Unabhängigkeit, direkte Demokratie, Neutralität und Föderalismus – diesen Säulen, welche die Stärke des Erfolgsmodells Schweiz ausmachten, drohe massiver Schaden, ja der Zusammenbruch.

Das «stille Ziel» der Classe politique bleibe der Beitritt der Schweiz in die EU. Mit der institutionellen Bindung solle der Beitritt schleichend erfolgen. Er sei aber zuversichtlich, dass die Abstimmung über diesen Rahmenvertrag – voraussichtlich 2016 – «richtig herauskommt».

Blocher kritisierte im weiteren, dass mit ausländischen Vorschriften, die als Menschenrechte ausgegeben würden, die Bürger «mundtot» gemacht würden. Wenn das Bundesgericht nicht mehr dem Schweizerischen Recht, sondern den Europäischen Gerichtshöfen folge, werde das wichtigste Menschenrecht – das Stimmrecht der Bürger – vernichtet.

Volk soll Ordnung schaffen

Es sei höchste Zeit, «das verdrehte Rechtssystem vom Kopf wieder auf die Füsse zu stellen», betonte Blocher, der im vergangenen Mai als Nationalrat zurückgetreten ist. Das Volk entscheide mit Augenmass, sachbezogen – «jedenfalls weitsichtiger als die Berufspolitiker, die sich vor allem um ihre Wiederwahl sorgen».

Aufs Tapet brachte Blocher erwartungsgemäss auch die Asylpolitik. Das heutige Ausländer- und Asylwesen bezeichnete er als chaotisch. «Wir müssen auf eine Lösung drängen, denn das Schweizer Volk, das die Missstände tagtäglich verfolgen kann, hat genug», sagte er. Die SVP sei gefordert, wenn Bundesbern nicht handle.

Zwischen der Lebenswirklichkeit der Bürger und dem Politikerbetrieb bestehe heute ein grosser Gegensatz, konstatierte Blocher. Der Politikbereich habe den Bezug zur Wirklichkeit, zur Realität verloren. So gehe der liberale Rechtsstaat vor die Hunde.

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