Bundesrätin Simonetta Sommaruga hat anlässlich der Bundesfeier im bernischen Laupen an die humanitäre Tradition der Schweiz erinnert. Diese gehöre wie die Neutralität und die Unabhängigkeit zur Identität der Schweiz.
«Menschen in Not unterstützen – das ist eine der wichtigsten Traditionen unseres Landes», sagte Sommaruga am Freitag beim Schloss Laupen gemäss Redetext.
«Wir dürfen stolz darauf sein, dass das Internationale Komitee vom Roten Kreuz in unserem Land gegründet wurde und dass die wichtigsten internationalen Konventionen zum Schutz der Flüchtlinge bei uns in der Schweiz deponiert sind.»
Die humanitäre Tradition werde jetzt, da Kriegsflüchtlinge in die Schweiz kämen, ganz besonders auf die Probe gestellt, sagte die Justizministerin weiter. «Die allermeisten Kriegsflüchtlinge gelangen aber gar nicht bis zu uns. Sie suchen in ihren Nachbarländern Schutz», fügte sie an.
Die Bundesrätin berichtete von ihrer Arbeitsreise nach Jordanien, zu einem Flüchtlingslager an der syrischen Grenze. Jordanien sei ein Land mit weniger Einwohnern als die Schweiz und habe in den letzten drei Jahren über 600’000 Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen, sagte Sommaruga.
Tradition der Kontingentsflüchtlinge
Wer nicht in der Region bleibe, fliehe weiter Richtung Europa. Viele suchten den Weg übers Mittelmeer. In den letzten Wochen seien jeden Tag zwischen 1000 und 2000 Menschen an Italiens Küsten gelandet. «Seien wir ehrlich: Auch unser Asylwesen würde bei solchen Zahlen an Grenzen stossen», sagte die SP-Bundesrätin.
Sie sei froh, dass der Bundesrat entschieden habe, die Tradition der Kontingentsflüchtlinge wieder aufzunehmen, sagte Sommaruga. Die Schweiz habe als einziges Land in Europa über 3000 Syrerinnen und Syrern mit Angehörigen in der Schweiz die erleichterte Einreise ermöglicht.
Solidarität brauche es aber auch innerhalb der Schweiz. Für Asylsuchende brauche es Unterkünfte und eine aufnahmebereite Bevölkerung. Das sähen aber nicht alle so. «Die Forderung, das Asylrecht in unserem Land faktisch abzuschaffen, ist beschämend», sagte Sommaruga.
Brunner: «Mut zum Freibleiben»
Dies war zuletzt von der SVP geäussert worden. Deren Präsident Toni Brunner plädierte in einer 1.-August-Ansprache in Häfelfingen BL für die Wahrung der Unabhängigkeit und Selbständigkeit der Schweiz. Er forderte «Mut zur Schweiz, Mut zum Freibleiben».
Der Wille zu Selbständigkeit und Unabhängigkeit stehe ganz am Anfang der Schweizer Geschichte, hielt Brunner fest: Sie machten die Willensnation Schweiz aus. Und der Bundesbrief von 1291 bedeute eigentlich, das eigene Schicksal selbst in die Hände zu nehmen, selber zu bestimmen.
Das Konzept der Schweiz sei die direkte Demokratie: Wo sonst könne das Volk Referenden ergreifen und die eigene Verfassung ändern? Die Selbstbestimmung gehöre zur Schweiz. Das gelte aber ebenso für die bewaffnete Neutralität, die es der Schweiz erlaube, sich aus Konflikten herauszuhalten.
Brunner sprach als Beispiel die Ukraine an: Diese könnte sich mit Neutralität etwas aus dem Konflikt zwischen der EU und Russland herausnehmen. Die Schweiz ihrerseits dürfe sich in diesem Konflikt nicht an Sanktionen beteiligen, sondern müsse vermitteln.
«EU-Beitritt ohne Beitritt»
«Wir haben ein Modell, um das uns relativ viele beneiden», sagte Brunner. Gleichzeitig geisselte er die Verhandlungen des Bundes mit der EU über ein institutionelles Abkommen: Ob sie privat einen Vertrag unterschreiben würden, gemäss dem alle künftigen Entwicklungen so geregelt würde wie es der Andere wolle und im Konfliktfall dessen Anwalt entscheide, fragte Brunner seine Zuhörer.
Ein solcher Vertrag würde «faktisch einen EU-Beitritt ohne Beitritt» bedeuten, sagte er. Als Problem kritisierte er im Weiteren, dass Demokratie nur noch von Fall zu Fall ernst genommen werde. Dabei verwies er auf die Ausschaffungs- und die Zuwanderungsinitiative.