Bundesrat Berset eröffnet Filmfestival

Bundesrat Alain Berset fühlt sich wohl unter Filmfreunden. Er macht ihnen sogar Mut, weiter anzuecken. Unter Filmfreunden fühlt er sich sichtlich wohl, Bundesrat Alain Berset. Auch wenn er zur Eröffnung nicht viel Neues verraten will, weist er immerhin darauf hin, dass die Bundessubvention an das Festival um 60’000 Franken erhöht worden seien. Um weiterhin zu […]

Bundesrat Alain Berset fühlt sich wohl unter Filmfreunden. Er macht ihnen sogar Mut, weiter anzuecken.

Unter Filmfreunden fühlt er sich sichtlich wohl, Bundesrat Alain Berset. Auch wenn er zur Eröffnung nicht viel Neues verraten will, weist er immerhin darauf hin, dass die Bundessubvention an das Festival um 60’000 Franken erhöht worden seien. Um weiterhin zu garantieren, dass der Schweizer Film sich an Erstklassigem und Ungewöhnlichem auch im internationalen Vergleich messen kann.

Der Schweizer Film stehe im internationalen Vergleich immer wieder gut da. So darf in diesem Jahr in Locarno die bedeutendste Leistungsshow der Schweizer Filmbranche zum 67. Mal eröffnet werden. Mehr will Berset vor der Medienkonferenz des Bundesamtes für Kultur im Verlaufe des Donnerstages nicht verraten (wir berichten).

Polanski reist als freier Mann an

Ebenso wenig äusserte sich Berset zur Einladung von Regisseur Roman Polanski, die in Tessiner CVP-Kreisen Unmut erregte. Dies tat umso klarer Festivalpräsident Marco Solari, der in einer eindringlichen Rede beim Eröffnungsempfang die Einladung Polanskis verteidigte.

Polanski sei nach der Ablehnung einer Auslieferung an die USA 2009 in der Schweiz «ein freier Mann». Den Vorwurf sexueller Handlungen mit einer Minderjährigen vor vierzig Jahren habe er, Solari, nicht zu beurteilen, sondern nur die künstlerische Qualität. «Der Mann ist ein Regisseur von Weltklasse. Wir haben künstlerisch zu urteilen, nicht juristisch. Selbst menschlich könnten wir das christliche Gebot der Vergebung anführen.» Der warme Applaus schloss sich seinem Statement an. Danach füllte sich die Piazza zum ersten Programm-Film. Luc Bessons «Lucy».

Die letzten Minuten bevor die Gäste in Locarno den rotenTeppich betreten

Die letzten Minuten bevor die Gäste in Locarno den rotenTeppich betreten

Besson eröffnet mit Lucy

So souverän hat Luc Besson schon lange nicht mehr die Klaviatur des Cinéma zwischen Junk und High Filosophy genutzt: «Lucy» ist Brutalo-Thriller und hübsches Gedankenspiel (mit einer hübschen Schauspielerin), das den Erkenntnissen der Hirnforschung Blondinen-Schub verleiht. Bessons Genre-Spiel mit dem japanischen Yakuza-Film und einer gerissenen Zivilisations-Montage geizt nicht mit unverfrorenen Selbst-Zitaten.

Lucy gerät durch einen One-Night-Stand in die Klemme: Fulminant die Anfangszene in der sich Scarlett Johannson um jeden Preis aus dem Handel verabschieden will. Doch plötzlich sieht sie sich doch als Drogenkurier für eine asiatische Drogenbande unterwegs. In den Fängen der Asiaten hat sie die blaue Droge zu überbringen, oder zu sterben.

Doch das blaue Pulver gerät anstatt in den Handelskreislauf in ihren Blutkreislauf: Lucy kann plötzlich nicht nur 10 Prozent Ihrer Hirnkapazität nutzen, sondern so viel wie die Delphine: 20 Prozent – mit steigender Tendenz. Das macht aus Lucy eine leidliche Drogenfahnderin und eine Kapazität in Sachen Hirnforschung.

Die grosse Filmtrickkiste

Als sie 40 Prozent ihrer Hirnkapazität nutzt, kann sie sich bereits ohne Aufwand neuronal in den Handyverkehr einloggen. Mit 60 Prozent kann sie für andere denken und handeln. Mit 70 Prozent ist es Lucy ein leichtes, die Drogenbande lahmzulegen und Lucys Erfinder Luc fällt es noch leichter jetzt die grosse Filmtrickkiste aufzumachen. Er lehnt sich ein wenig an «Koyaanisqatsi» an, zitiert ein wenig Avatar, ebenso Kitano, und lässt schliesslich alles im Mafia-Thriller-üblichen Show-down enden.

Mit 100 Prozent rast Lucy in the Sky. 100 Prozent Hirnkapazität sind dann doch zuviel. Soviel Luzidität katapultiert unsere Heldin an den Zeithorizont. Dort wird sie – in einem Wurmloch – pulverisiert, die Zellen entscheiden sich zu sterben, und nach der spektakulären Auflösung bleibt von ihr auf die Frage, wo sie denn jetzt sei, nur noch ein USB-Stick und eine kryptische SMS: «Ich bin überall». Wow. Wenn Scarlett Johansson das twittert, klopfen Männerherzen und Frauen runzeln die Stirn.

Bessons Meisterwerk als Produzent

Was haben wir also unter dem freien Himmel in Locarno gesehen? Alles was Besson als Produzent kann: Halsbrecherische Verfolgungsjagden organisieren; gerissene Montagen mit der Erzählung verbinden (er mixt Tierbilder in die Menschenwelt); einen tollen Cast brillant einsetzen. Und: Alles zusammen amüsant erzählen. Besson gibt sogar noch als Drehbuchautor einen obendrauf. Er versucht uns noch zu erklären, was das Wesen der Zeit ist. 

Das lässt er uns von Morgan Freeman als Professor Norman mit Blick auf die Relativitäts-Theorie erklären. Wir verstehen das zwar nicht so ganz mit unseren 10 Prozent, aber es verkürzt uns die Film-Zeit und überhäuft uns mit angenehmem Zeitgeist. Insgesamt scheint das eine coole Sache: Mit 90 Prozent könnten wir uns sogar an den Urknall erinnern!

Zu dieser Wissenschafts-Mystik gesellt sich dann auch noch ordentlich viel blaues Pulver und blaue Bohnen, die uns – wie in japanischen Yakuza-Filmen – reichlich um die Ohren schwirren. Wer da nun fürchtet, seine 10 Prozent Hirnauslastung könnte nicht ausreichen, um diesen Film zu verstehen, braucht deshalb kein blaues Pulver zu schlucken: In den USA ist der Film ein Renner. 

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Der Film läuft am 14. August auch in Basel an: In den Pathé Kinos.

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