Mit seinen Prognosen zu den Folgen der Unternehmenssteuerreform II lag der Bundesrat weit daneben. Die Eidgenössische Finanzkontrolle hat das Problem daraufhin unter die Lupe genommen und festgestellt: Die Fehleinschätzung war kein ein Einzelfall.
Systematisch werden entweder die Folgen von Gesetzen und Finanzerlassen nicht sorgfältig genug untersucht. Oder die Zuverlässigkeit der Ergebnisse lässt zu wünschen übrig. Das ist das Fazit des Evaluationsberichts zu den Prognosen in den Botschaften des Bundesrats, den die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) am Donnerstag veröffentlicht hat.
Anhand von 50 Botschaften untersuchte sie, ob und wie gut die jeweils zuständige Verwaltungseinheit ihre Hausaufgaben gemacht hat. Gestützt auf die Vorgaben des Parlamentsgesetzes und den einschlägigen Leitfaden der Bundeskanzlei erstellte die EFK ein Beurteilungsraster. Ergebnis: Fast jede dritte Botschaft erfüllte die Mindestanforderungen nicht. Ein Fünftel genügte nicht den Mindestanforderungen in Bezug auf auf die Auswirkungen für den Bund und die Wirtschaft.
Erhebliche Mängel
Schlecht abgeschnitten hat beispielsweise die Botschaft zur Verlängerung und Aufstockung des Rahmenkredits für die internationale humanitäre Hilfe. Keine gute Beurteilung erhielten auch jene zur Friedensförderung, zur Beschleunigung öffentlicher Beschaffungen, zum Bundespersonalgesetz oder zur Teilnahme an der Weltausstellung in Mailand.
Die detaillierten Ergebnisse sind brisant: Ausgerechnet beim Bundespersonalgesetz wurden die Auswirkungen auf den Bund ungenügend untersucht, bei der Umsetzung der neuen Regionalpolitik oder beim Integrationsgesetz die Auswirkungen auf die Volkswirtschaft. Bei der EU-Forschungszusammenarbeit wurden die Folgen für die Kantone kaum ausgeleuchtet.
Die Botschaft zum Nachrichtendienstgesetz liess die Auswirkungen auf die Gesellschaft im Dunkeln. Bei den Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft erreicht nur ein Drittel der untersuchten Botschaften die Minimalanforderungen.
Wenig zuverlässige Prognosen
Die Einhaltung der Standards garantiert aber noch keine aufschlussreiche Botschaft. Die EFK hat Fallstudien anhand von drei verschiedenen Vorlagen erstellt. Eine davon betrifft das Cassis-de-Dijon-Prinzip, wonach in der EU zugelassene Produkte grundsätzlich auch in der Schweiz in Verkehr gebracht werden dürfen.
Die in der Botschaft vorausgesagten Einsparungen von rund 2 Milliarden Franken und das prognostizierte Wirtschaftswachstum liessen sich später nicht nachweisen, wie es in dem Bericht heisst. Die EFK anerkennt, dass es sich um einen technisch komplexen und politisch heiklen Entwurf handelte. Sie rügt aber, dass das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) die Unsicherheit seiner Prognosen in der Botschaft nicht ausgewiesen hat.
Die Eidgenössische Steuerverwaltung verrechnete sich bei den Familienabzügen: Die Steuerausfälle beliefen sich nicht auf 360 Millionen Franken, sondern auf geschätzte 60 Millionen Franken. Die erwarteten positiven Auswirkungen auf die Volkswirtschaft lassen sich nicht beziffern, hingegen wurde der Aufwand für die Kantone unterschätzt. Beim Luftfahrtgesetz wurden die positiven Auswirkungen überschätzt, die negativen unterschätzt.
Bundesrat unter Druck
Aufgrund der Untersuchungsergebnisse hat die EFK dem Bundesrat mehrere Empfehlungen gemacht. Im Zentrum steht der Vorschlag, die Bundeskanzlei mit der Qualitätskontrolle zu beauftragen. Diese hat schon heute die Aufgabe, die Qualität der Gesetzgebung sicherzustellen. Künftig soll sie bei den Botschaften überprüfen können, ob bei den Folgeabschätzungen die Qualitätsanforderungen und die formellen Kriterien erfüllt sind.
Der Bundesrat will nichts davon wissen. Seiner Ansicht nach reichen die Ämterkonsultation und das Mitberichtsverfahren aus, um die Qualität der Prognosen sicherzustellen. Das Parlament hat die Regierung letzten Juni allerdings beauftragt, die Auswirkungen von Erlassen von einer unabhängigen Stelle prüfen zu lassen und künftig präzise Aussagen zu den Kosten zu machen. Der Bundesrat will sich dazu spätestens im Herbst äussern.
Auch der Empfehlung, bei gewissen Entwürfen frühzeitig eine vertiefte Folgeabschätzung zu machen, schliesst sich der Bundesrat nur teilweise an. Die Empfehlung, eine einheitliche Methode für die Folgeabschätzung zu verwenden und die Schulung der beteiligten Mitarbeitenden zu verbessern, will der Bundesrat hingegen umsetzen.