Das politische Ringen um die Energiewende kann beginnen: Der Bundesrat hat am Mittwoch das erste Massnahmenpaket zuhanden des Parlaments verabschiedet. Das Ziel ist es, den Energieverbrauch zu senken und die erneuerbaren Energien auszubauen.
Dass in der Schweiz keine neuen Atomkraftwerke gebaut werden sollen, hatte der Bundesrat bereits kurz nach der Atomkatastrophe von Fukushima beschlossen. National- und Ständerat folgten ihm. Nun geht es um die Frage, wie die Energieversorgung in Zukunft aussehen soll.
«Die Energiewende findet bereits statt», sagte Energieministerin Doris Leuthard vor den Medien in Bern. Der Anteil der erneuerbaren Energien nehme zu. Leuthard räumte aber auch ein, dass es schwierig sei, die Entwicklungen für die kommenden Jahrzehnten abzuschätzen: «Leider bin ich nicht Göttin, nicht einmal Königin.»
Längerfristig Lenkungsabgabe
Der Bundesrat geht davon aus, dass mit dem ersten Massnahmenpaket die längerfristigen Ziele der Energiestrategie 2050 zu rund der Hälfte erreicht werden könnten. Damit der Atomstrom ganz ersetzt oder eingespart werden kann, braucht es später neben technologischen Fortschritten eine Lenkungsabgabe, die nach 2020 schrittweise das Fördersystem ablösen soll.
Dazu sind jedoch noch keine Beschlüsse gefallen. Vorläufig bleibt es beim Fördersystem mit der Einspeisevergütung (KEV). Dieses soll allerdings um- und ausgebaut werden. Der Bundesrat berücksichtigt hier die Entscheide, die das Parlament in der Zwischenzeit dazu gefällt hat.
Mehr Geld für Erneuerbare
Er schlägt aber einen anderen Kostendeckel vor. Heute liegt der maximale Zuschlag bei einem Rappen pro Kilowattstunde. Gemäss dem Entscheid des Parlaments soll er ab 2014 auf maximal 1,5 Rappen erhöht werden können. Der Bundesrat will den Kostendeckel nun bei 2,3 Rappen festlegen, leicht mehr als in der Vernehmlassung vorgeschlagen.
Ferner soll die KEV zu einem System mit Direktvermarktung umgebaut werden: Steuerbare Anlagen sollen künftig keine fixe Vergütung mehr erhalten, da diese keinen Anreiz bietet, den Strom dann einzuspeisen, wenn er benötigt wird. Stattdessen sollen die Betreiber selbst für den Absatz des Stroms verantwortlich sein. Für den ökologischen Mehrwert erhalten sie eine Prämie, die den Referenzmarktpreis berücksichtigt.
Keine Förderung für Kleinwasserkraftwerke
In diesem Punkt ist der Bundesrat jenen entgegen gekommen, die in der Vernehmlassung mehr Markt gefordert hatten. Er hat aber auch Anliegen der Umweltverbände berücksichtigt: Kehrichtverbrennungs- und Abwasserreinigungsanlagen sollen künftig nicht mehr ins Vergütungssystem aufgenommen werden. Und auch Kleinwasserkraftwerke sollen nicht mehr beitragsberechtigt sein: Der Bundesrat will eine Untergrenze von 300 Kilowatt einführen.
Bis der Energiebedarf vollständig durch erneuerbare Energien gedeckt werden kann, soll die fossile Stromproduktion einen Beitrag leisten. Auf das in der Vernehmlassung vorgeschlagene Fördermodell für Wärmekraftkopplungsanlagen verzichtet der Bundesrat. Sofern sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen, die Anlagen aber teilweise von der CO2-Abgabe befreit werden.
Gebäude sanieren
Für die Energiewende braucht es nicht nur mehr erneuerbare Energien, sondern auch weniger Energieverbrauch. Hier stehen die Gebäudesanierungen im Vordergrund. Der Bundesrat hatte mehrere Varianten zur Diskussion gestellt. Nun sollen für das Gebäudeprogramm jährlich rund 525 Millionen Franken eingesetzt werden.
Die Mittel stammen zu zwei Dritteln aus der CO2-Abgabe und zu einem Drittel aus den kantonalen Staatshaushalten. Die CO2-Abgabe müsste für die Finanzierung auf 84 Franken pro Tonne CO2 steigen. Heute liegt die Abgabe bei 36 Franken pro Tonne oder 9,5 Rappen pro Liter Heizöl, ab kommendem Jahr bei 60 Franken pro Tonne oder 16 Rappen pro Liter Heizöl.
Ambitiöse Ziele
Bis ins Jahr 2020 soll der durchschnittliche Energieverbrauch pro Person gegenüber dem Referenzjahr 2000 um 16 Prozent sinken, der Stromverbrauch um 3 Prozent. Bis ins Jahr 2035 soll der Energieverbrauch um 43 Prozent sinken und der Stromverbrauch um 13 Prozent. Damit hat der Bundesrat nach der Vernehmlassung für das Jahr 2035 leicht ambitiösere Ziele formuliert. Massgebend sind aber vorerst die Ziele für 2020.
Der Bundesrat hat auch bekannt gegeben, mit welchen Kosten er bis 2050 rechnet. Insgesamt sollen Private gegen 193 Milliarden Franken investieren. Davon würden 126 Milliarden aber ohnehin anfallen, für die Erneuerung der bestehenden Kraftwerke. Für den Bau und den Betrieb neuer Kraftwerke rechnet der Bundesrat mit Kosten von 67 Milliarden Franken, was jährlichen Aufwendungen von rund 1,7 Milliarden Franken entspricht. Hinzu kommen 18 Milliarden für den Um- und Ausbau der Stromnetze.
Das Wirtschaftswachstum werde aber nicht wesentlich beeinflusst, schreibt der Bundesrat. Die Energiestrategie 2050 soll als indirekter Gegenvorschlag zur Atomausstiegsinitiative dienen, welche die Laufzeit der AKW begrenzen will. Diese lehnt der Bundesrat weiterhin ab. Den Entscheid zum Atomausstieg hält er nach wie vor für richtig, wie Leuthard betonte. Der Ausstieg sei sowohl ökonomisch richtig als auch mit Blick auf die Risiken. Und er sei richtig, weil es Alternativen gebe.