Trotz Kritik an der Sicherheit des Genfer E-Voting-Systems hält der Bund an seinen Plänen zum Abstimmen über Internet fest. Das machte Bundeskanzlerin Corina Casanova am Montag vor dem Nationalrat klar. E-Voting-Skeptiker kündigten Vorstösse für einen Stopp an.
Eine grosse Mehrheit der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer soll bei den Eidgenössischen Wahlen 2015 über das Internet abstimmen können. So lautet das Ziel des Bundesrates für die elektronische Stimmabgabe. Daran ändere sich trotz der lauter werdenden Diskussion zum Thema nichts, sagte Bundeskanzlerin Corina Casanova in der Fragestunde im Rat.
Ausgelöst wurden diese Diskussionen im Sommer, nachdem ein Hacker eine Sicherheitslücke im Genfer E-Voting-System präsentierte. Diese betrifft die Speicherung des Stimmentscheides: Spezialisten wäre es im Prinzip möglich, aus einer Ja- eine Nein-Stimme zu machen, ohne dass es der Stimmberechtigte merkt.
Wenige Stimmberechtigte mit E-Voting
Schwachstellen dieser Art sind den Behörden laut Casanova seit langem bekannt. Entsprechend der Maxime «Sicherheit vor Tempo» dürfe unter anderem deswegen nur ein Bruchteil der Stimmberechtigten über Vote électronique am Urnengang teilnehmen.
Derzeit liegt die Limite bei gesamtschweizerisch 10 Prozent; in keinem Kanton dürfen mehr als 30 Prozent der Stimmberechtigten über Internet abstimmen. Effektiv ist E-Voting heute aber erst für rund 3 Prozent der Stimmberechtigten möglich, hauptsächlich Auslandschweizer. Diese geniessen Priorität bei der Einführung.
Für eine Erhöhung dieser Quoren würden höhere Anforderungen an die Sicherheit gestellt, sagte Casanova weiter. Die Rechtsgrundlagen für diesen Schritt würden derzeit revidiert. Im Zentrum steht die Verifizierbarkeit: Der Stimmberechtigte solle kontrollieren können, ob sein Ja auch als Ja beim Computer der Behörden registriert wurde.
Für vier junge Nationalräte aus verschiedenen Parteien genügt diese Sicherheit indes nicht. Sie kündigten am Montag an, sie wollten per Vorstoss das E-Voting-Projekt stoppen, mindestens bis sicherere Programme existieren.
Ganze Abstimmungen verifizieren
Diese Systeme der zweiten Generation sollen es erlauben, dass nicht nur eine einzelne Stimmen, sondern – mit mathematischen Beweisen – eine ganze Abstimmung verifiziert werden kann. Ausserdem soll für jedes eingesetzte System der Quellcode zwecks Transparenz und Vertrauen offengelegt werden.
Die Nationalräte Isabelle Chevalley (GLP/VD), Balthasar Glättli (Grüne/ZH), Lukas Reimann (SVP/SG) und Jean Christophe Schwaab (SP/VD) betonten, das Vertrauen in die direkte Demokratie dürfe nicht durch «gefährliche Experimente» aufs Spiel gesetzt werden.
In der grundsätzlichen Haltung zu E-Voting unterscheiden sich die Haltungen der Skeptiker. Reimann sagte beispielsweise, er sehe – ebenso wie die Mehrheit in der SVP – keinen Grund, warum Bürgerinnen und Bürger im Inland über das Internet abstimmen sollten. So klar äusserten sich die übrigen nicht zu dieser Frage.
Im Nationalrat wollte demgegenüber die Befürworterin Christa Markwalder (FDP/BE) wissen, wann mit einer flächendeckenden Einführung der elektronischen Stimmabgabe zu rechnen sei. Ein Datum wollte Bundeskanzlerin Casanova nicht nennen. Die Einführung sei auch Sache der Kantone.
Basel mit Problem-System
Nach Bekanntwerden der Probleme mit dem Genfer System klinkten sich die Kantone Uri und Obwalden aus dem Projekt aus und verzichten vorerst auf E-Voting. Nebst dem kritisierten Genfer System, das auch Bern, Luzern und Basel-Stadt nutzen, existiert auch ein Programm aus Zürich, das in acht Kantonen (AG, FR, GR, SG, SH, SO, TG, ZH) im Einsatz steht. Über ein eigenes System verfügt Neuenburg.