In der Debatte um die Mindestlohn-Initiative ist jetzt das Parlament am Zug. Der Bundesrat hat am Mittwoch die Botschaft verabschiedet. Darin bekräftigt er sein Nein zur Initiative – unter anderem, weil er die Gründe für Armut nicht in erster Linie in tiefen Löhnen sieht.
Ein gesetzlicher Mindestlohn von 22 Franken pro Stunde – dies ist die Hauptforderung der Volksinitiative „Für den Schutz fairer Löhne“ des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds. Er soll für alle Branchen und in allen Landesteile gelten. Ferner sollen Bund und Kantone Mindestlöhne in Gesamtarbeitsverträgen fördern.
Der Bundesrat hatte sein Nein zur Initiative und den Verzicht auf einen Gegenvorschlag bereits im vergangenen Juli beschlossen. In der Botschaft begründet er diese Haltung nun detaillierter.
„Der Bundesrat teilt das Ziel der Initianten, die Armut zu bekämpfen“, sagte Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann vor den Medien in Bern. Auch solle jeder Arbeitnehmer von den Früchten seiner Arbeit „in Würde leben können“.
Gleichwohl hält der Bundesrat das Volksbegehren für das falsche Mittel. Denn Armut habe viele Gründe – etwa Arbeitslosigkeit und ein tiefes Bildungsniveau. „Ein Mindestlohn ist kein geeignetes Mittel gegen Armut“, sagte Schneider-Ammann.
„Erfolgsrezept nicht antasten“
Zudem sei die Schweiz bereits heute „gut unterwegs“, im internationalen Vergleich gar „sehr gut“. Immerhin habe sie annähernd Vollbeschäftigung und gehöre zu den Ländern mit den geringsten Lohnunterschieden und dem kleinsten Anteil an Angestellten mit tiefen Löhnen.
Ein Mindestlohn von 22 Franken wäre im internationalen Vergleich „der höchste Mindestlohn“, sagte der Wirtschaftsminister. Er stützt diese Aussage auf einen Vergleich der Mindestlöhne jener OECD-Staaten, die ein minimales Salär kennen.
Die flexible Lohnpolitik funktioniert in der Schweiz laut Schneider-Ammann bestens. Diese lange und bewährte Tradition sei ein Erfolgsrezept, das nicht angetastet werden dürfe. Auch seien in der Schweiz immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einem Gesamtarbeitsvertrag unterstellt.
Zudem stünden mit den flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit geeignete Instrumente zur Verfügung, um tiefe Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen zu bekämpfen. So sind die Massnahmen gegen Scheinselbständigkeit bereits seit dem 1. Januar 2013 in Kraft, und jene zur Solidarhaftung sollen voraussichtlich ab dem 1. Juli gelten.
Bundesrat sieht Arbeitsplätze in Gefahr
Der Bundesrat befürchtet negative Auswirkungen für den Fall, dass das Stimmvolk die Initiative annimmt. Da sie „undifferenziert“ sei, drohten gewissen Branchen und Regionen Nachteile, sagte Schneider-Ammann. Als Beispiele nannte er Detailhandel, Gastronomie und Tourismus sowie Randregionen vornehmlich in der lateinischen Schweiz.
Im weiteren sieht der Bundesrat die Sozialpartnerschaft in Gefahr. Deren hervorragendes Funktionieren sei ein wichtiger Trumpf für den Wirtschaftsstandort Schweiz. Ein gesetzlicher Mindestlohn würde den Spielraum bei den Verhandlungen einschränken und die Verantwortung der Sozialpartner mindern – und damit letztlich den Wirtschaftsstandort schwächen.
Darüber hinaus würde er nach Einschätzung des Bundesrats das Funktionieren des Arbeitsmarkts gefährden, Arbeitsplätze bedrohen und kleinere und mittlere Unternehmen besonders treffen.
Der Gewerkschaftsbund hatte die Initiative am 23. Januar 2012 bei der Bundeskanzlei eingereicht.