Wie es mit der Personenfreizügigkeit weitergeht, ist ungewiss. Trotzdem will der Bundesrat die Schraube bei den flankierenden Massnahmen im Arbeitsmarkt noch einmal anziehen. Seine Vorschläge hat er am Freitag in die Vernehmlassung geschickt.
Vorgesehen ist unter anderem eine Erhöhung der Bussen auf maximal 30’000 Franken. Heute liegt die Obergrenze für Verstösse gegen die minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen bei 5000 Franken. Zudem soll die Allgemeinverbindlicherklärung und die Verlängerung von Normal- und Gesamtarbeitsverträgen neu geregelt werden.
Zum einen will der Bundesrat die Voraussetzung zur Verlängerung von Normalarbeitsverträgen gesetzlich festlegen. Mit diesen können zwingende Mindestlöhne erlassen werden, falls wiederholt orts-, berufs- oder branchenübliche Löhne unterboten werden.
Zudem sollen neben der tripartiten Kommission auch die Sozialpartner die erleichterte Allgemeinverbindlicherklärung eines Gesamtarbeitsvertrags (GAV) beantragen können, falls wiederholt missbräuchliche Lohn- und Arbeitsbedingungen nachgewiesen werden. Neu könnten damit auch Bestimmungen über Ferien, Arbeitszeiten und Kaution erleichtert allgemeinverbindlich erklärt werden.
Schliesslich soll die Allgemeinverbindlichkeit eines GAV auch ohne Arbeitgeberquorum um bis zu drei Jahre verlängert werden können. Für die Allgemeinverbindlichkeit müssen normalerweise mindestens die Hälfte der Arbeitgeber am GAV beteiligt sein.
Kompromiss des Bundesrats
Die Vorschläge des Bundesrat gehen zurück auf Empfehlungen einer Arbeitsgruppe unter der Leitung von SECO-Staatssekretärin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch. Das Gremium war im Juni 2013 von Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann und Justizministerin Simonetta Sommaruga eingesetzt worden.
Auslöser waren die bevorstehenden Abstimmungen über Zuwanderungs- und Ecopop-Initiative und die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien. Die in der Arbeitsgruppe vertretenen Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände sowie die Gewerkschaften gelangten allerdings erst nach Annahme der SVP-Initiative zu einer Einigung. Als Knacknuss hatten sich vor allem die GAV erwiesen.
Der Bericht enthielt dazu zwei Varianten, wobei die Gewerkschaften die eine, die Arbeitgeberseite die andere bevorzugten. Die nun vom Bundesrat vorgelegten Massnahme stellen einen Kompromiss dar. Insbesondere sollen GAV ohne das nötige Arbeitgeberquorum nur befristet und nicht wie von den Gewerkschaften gefordert generell verlängert werden können.
Neue Ausgangslage
Die flankierenden Massnahmen sind parallel zur Personenfreizügigkeit 2004 in Kraft getreten. Sie sollen verhindern, dass die Löhne trotz Wegfall der vorgängigen Kontrolle von Lohn- und Arbeitsbedingungen unter Druck geraten. Nach Ansicht des Bundesrats ist dies weitgehend gelungen.
Dazu beigetragen haben dürfte die wiederholte Anpassung und Stärkung der flankierenden Massnahmen in den letzten zehn Jahren, insbesondere im Vollzug. Wegen der Zuwanderungsinitiative hat sich die Ausgangslage nun aber völlig verändert. Eine der Grundlagen der flankierenden Massnahmen ist nämlich das Entsendegesetz, und dieses würde mit dem Ende der Personenfreizügigkeit automatisch ausser Kraft treten.
Der Bundesrat hatte schon früher klargemacht, dass er einen Marschhalt nicht für angezeigt hält. Im Bericht zur Vernehmlassung geht er auf die Verknüpfung mit dem Freizügigkeitsabkommen allerdings nur am Rande ein.
Im Rahmen der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative stelle sich unter anderem die Frage nach der Form der Weiterführung der flankierenden Massnahmen, heisst es. Je nach Umsetzung habe dies einen Einfluss auf deren Ausgestaltung. Eine Umsetzungsvorlage will der Bundesrat Ende Jahr präsentieren. Die Vernehmlassung zur Stärkung der flankierenden Massnahmen dauert bis zum 19. Dezember 2014.