Einen Tag nach dem gezielten Schlag der Behörden gegen Korruption bei der FIFA hat sich auch die Politik in die Geschehnisse eingeschaltet. Bundesrat Ueli Maurer rief den Weltfussballverband zu Reformen auf – und nahm gleichzeitig Präsident Sepp Blatter in Schutz.
Die FIFA muss sich nach Ansicht von Sportminister Maurer grundlegend reformieren. Es bestehe nach den Festnahmen von Funktionären am Mittwoch in Zürich Handlungsbedarf. «Die FIFA ist nicht glaubwürdig, der Verband ist aus der Balance geraten.»
Der Druck für Reformen werde zunehmen, sagte Maurer am Donnerstag anlässlich eines Podiumsgesprächs am Swiss Media Forum in Luzern. Die Reformen müssten auf allen Ebenen greifen. Ob der Weltfussballverband dazu die Kraft habe, werde sich weisen.
Es gehe nicht an, FIFA-Präsident Blatter zum Sündenbock zu stempeln, sagte Maurer. Es dürfe nicht vergessen werden, dass Blatter Hervorragendes für den Fussball geleistet habe, nicht zuletzt mit Blick auf seine Initiativen zugunsten der Jugendlichen weltweit.
Am Abend sprach Maurer auch vor den versammelten FIFA-Kongressmitgliedern. Er unterstrich, dass die Schweiz jede Form von Korruption ablehne. Für die FIFA könnten die Vorkommnisse aber auch positiv sein – nämlich dann, wenn die Organisation aus den Fehlern lerne und künftig Transparenz herstelle.
Fabius will Präsidentenwahl verschieben
Auch Aussenminister Didier Burkhalter äusserte sich am Donnerstag indirekt zur Affäre. «Dieser Fall könnte die internationalen Sportverbände verändern, vielleicht sogar die Welt des Sports», sagte er am Rande einer Pressekonferenz mit seinem italienischen Amtskollegen Paolo Gentiloni.
Der Kampf gegen Korruption sei «eine Chance und eine Pflicht» in allen Bereichen der Gesellschaft, sagte Burkhalter. «Man wird sehen, wie es weitergeht.» Der Sport sollte aber auf alle Fälle nicht pauschal verurteilt werden. Gentiloni sprach von einem heftigen Rückschlag für das Image des Fussballs.
Regierungsvertreter anderer Länder reagierten weniger zurückhaltend. Frankreichs Aussenminister Laurent Fabius sprach sich für eine Verschiebung der auf Freitag angesetzten Präsidentenwahl des Fussballweltverbands aus.
Derzeit biete sich ein «desaströses Image». Man sollte sich etwas Zeit nehmen und klären, «was stimmt und was nicht». Fabius‘ britischer Kollege Philip Hammond sagte, bei der FIFA laufe etwas «zutiefst verkehrt». Der internationale Fussball brauche eine Reform.
Alle Inhaftierten gegen Auslieferung
Auf Ersuchen der US-Justiz waren am Mittwoch sieben hochrangige FIFA-Manager festgenommen worden, darunter zwei Blatter-Stellvertreter. Diese befinden sich in Haft und wehren sich gegen die Auslieferung.
Die Schweiz habe die USA deshalb aufgefordert, für alle sieben Personen innert der vom bilateralen Auslieferungsvertrag vorgesehenen Frist von 40 Tagen formelle Auslieferungsersuchen zu stellen, sagte Folco Galli, Sprecher des Bundesamts für Justiz (BJ), auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda.
Die gegen die Fussballfunktionäre erhobenen Vorwürfe wären auch in der Schweiz strafbar, sagte Galli. Es handelte sich dabei um eine Verletzung des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb.
Verfahren könnten dauern
Ob und wann die FIFA-Funktionäre ausgeliefert werden, hängt auch von deren Kooperation ab. Reichen die Betroffenen gegen die Verfügungen des BJ Beschwerden ein, werden das Bundesstrafgericht und allenfalls das Bundesgericht diese Frage abschliessend beurteilen müssen.
Bis dahin bleiben die Fussballfunktionäre in verschiedenen Haftanstalten im Kanton Zürich in Auslieferungshaft. «Wie üblich wird aus Gründen der Sicherheit und des Persönlichkeitsschutzes der genaue Haftort nicht bekanntgegeben», sagte Galli. Die sieben Häftlinge würden gleich behandelt wie alle anderen Insassen.
Wegen Kollusionsgefahr werde der Kontakt unter den inhaftierten FIFA-Funktionären aber unterbunden. Dies gelte bis zum Abschluss des Auslieferungsverfahrens, das bei Ausschöpfung sämtlicher Rechtsmittel erfahrungsgemäss rund sechs Monate dauern könne.
Viele Folgen noch unklar
Die Strafuntersuchung der Bundesanwaltschaft wegen «Unregelmässigkeiten» bei der WM-Vergabe an Russland und Katar läuft unabhängig von jener der US-Justizbehörden. Konkret ermitteln die Bundesanwälte wegen Verdachts auf ungetreue Geschäftsbesorgung sowie auf Geldwäscherei.
Die Strafuntersuchung richtet sich gegen Unbekannt. Am Donnerstag startete die Bundesanwaltschaft die Befragung von zehn Auskunftspersonen. Laut Sprecher André Marty handelt es sich dabei um zehn Mitglieder des FIFA-Exekutivkomitees, die 2010 bereits im Amt waren und nicht in der Schweiz wohnhaft sind.
Welche Folgen eine allfällige Anklage für die Austragung der Fussball-Weltmeisterschaften in Russland 2018 und Katar 2022 haben könnte, konnte die Bundesanwaltschaft nicht sagen. «Dies fällt nicht in unsere Kompetenz», sagte Marty.
Klar ist indessen, dass Topsponsoren der FIFA zunehmend Druck auf den Weltverband ausüben. Die Unternehmen sind zwar nicht direkt von den Korruptionsvorwürfen betroffen, fürchten aber um ihren Ruf. Das Kreditkartenunternehmen Visa mahnte beispielsweise «rasche und sofortige Massnahmen» an, um die Probleme innerhalb der FIFA zu beheben.