Bundesrat will Abstimmungsanalysen öffentlich ausschreiben

Mitte April hat eine VOX-Analyse von Claude Longchamp viele Diskussionen ausgelöst. Nun will der Bundesrat die Abstimmungsanalysen erstmals öffentlich ausschreiben.

Mitte April hat eine VOX-Analyse von Claude Longchamp viele Diskussionen ausgelöst. Nun will der Bundesrat die Abstimmungsanalysen erstmals öffentlich ausschreiben.

Die Macher der VOX-Analyse könnten Konkurrenz erhalten: Der Bundesrat hat beschlossen, dass er Abstimmungsanalysen erstmals öffentlich ausschreiben will. Eine VOX-Analyse hatte Mitte April Diskussionen über die Methodik und Aussagekraft solcher Umfragen ausgelöst.

Der Bundesrat will auch künftig Abstimmungsanalysen erstellen lassen, wie er am Mittwoch mitteilte. Neu ist, dass die Bundeskanzlei für die Erstellung von Abstimmungsanalysen eine öffentliche Ausschreibung durchführen muss – dies für den Zeitraum 2016 bis 2019.

Die Bestimmungen des Beschaffungsrechts erforderten es, dass Aufträge des Bundes über dem Schwellenwert von 230’000 Franken öffentlich ausgeschrieben würden, schrieb der Bundesrat. Die Ausschreibung soll im Laufe des kommenden Jahres abgeschlossen werden.

Auftrag bislang freihändig vergeben

Der Bund beteiligt sich seit 1987 an den VOX-Analysen. Diese Nachanalysen der eidgenössischen Abstimmungen werden seit 1977 von der «Forschungsgemeinschaft VOX-Analysen» durchgeführt. Diese besteht aus den politikwissenschaftlichen Instituten der Universitäten Zürich, Bern und Genf sowie dem gfs.bern von Politologe Claude Longchamp.

Bislang hat die Bundeskanzlei den Auftrag freihändig vergeben, da die VOX-Analysen als geistiges Eigentum der Forschungsgemeinschaft gehören und «in dieser Form daher von keinem anderen Meinungsforschungsinstitut erbracht werden können». Der Beitrag des Bundes lag laut Bundeskanzlei im vergangenen Jahr bei 411’480 Franken. Seit 2010 hat die Forschungsgemeinschaft 1,2 Millionen Franken erhalten.

Übergangslösung angestrebt

Die VOX-Analysen hätten sich sowohl bei der Wissenschaft wie in der Politik und in der Öffentlichkeit etabliert, schrieb der Bundesrat weiter. «Sie sind die einzigen regelmässigen Analysen über die Meinungsbildung der Stimmberechtigten bei eidgenössischen Abstimmungen.»

Zur Sicherstellung eines lückenlosen Übergangs von den bisherigen VOX-Analysen zu den künftigen Abstimmungsanalysen des Bundes hat der Bundesrat die Bundeskanzlei im Weiteren beauftragt, mit der «Forschungsgemeinschaft VOX-Analysen» einen neuen Vertrag abzuschliessen. Dieser hat eine Laufzeit bis Ende 2015 und enthält eine Option für eine Verlängerung, sollten sich im Vergabeverfahren für die künftigen Abstimmungsanalysen Verzögerungen ergeben. Der laufende Vertrag läuft Ende Juli aus.

Neue Methodik nach Streit

Mitte April war ein Streit um eine VOX-Analyse entbrannt. Politologen zweifelten an der angeblich ausserordentlich tiefen Stimmbeteiligung der jungen Generation bei der Abstimmung zur SVP-Zuwanderungsinitiative vom 9. Februar. So sollen nur 17 Prozent der Befragten unter 30 Jahren im vergangenen Februar abgestimmt haben.

Die drei politikwissenschaftlichen Institute nahmen die Affäre zum Anlass, künftig eine neue Methodik anzuwenden. Mit einem Gewichtungsverfahren auf Basis der bestehenden Stimmregisterdaten wird die Aussagekraft zur Beteiligung der Altersgruppen erhöht.

Der Beschluss des Bundesrates, die Abstimmungsanalysen künftig auszuschreiben, wird von der VOX-Partnerschaft begrüsst, wie Lukas Golder von gfs.bern auf Anfrage sagte. Bereits im April hatte die Forschungsgemeinschaft angekündigt, die «bewährte Zusammenarbeit» fortzusetzen. Somit dürfte klar sein, dass sich die bisherigen VOX-Analysten an der Ausschreibung der Bundeskanzlei beteiligen werden.

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