Verteidigungsminister Guy Parmelin erwartet, dass wieder mehr Flüchtlinge über das Mittelmeer kommen. Der Bundesrat will daher in den nächsten zwei Wochen über einen allfälligen Armeeeinsatz an der Grenze befinden. Obwohl Parmelin persönlich nicht viel davon hält.
Die Berichte, die man derzeit von den zuständigen Stellen erhalte, seien beunruhigend, sagte Parmelin in mehreren Interviews. Obwohl die Balkanroute geschlossen sei, werde ein erneuter Ansturm über das Mittelmeer erwartet. Deshalb müssten nun alle Szenarien in Betracht gezogen werden – auch ein allfälliger Einsatz der Armee. Der Bundesrat werde in den nächsten zwei Wochen einen Entscheid fällen.
Persönlich wolle er das Militär zwar nicht an die Grenze schicken, sagte Parmelin. Aber wenn es für die innere Sicherheit und die Sicherheit der Bevölkerung notwendig sei, müsse man bereit und effizient sein.
SVP-Bundesrat Parmelin äusserte sich in den Samstagsausgaben gleich mehrerer Zeitungen: «Tages-Anzeiger» und «Bund», «24 Heures» und «Tribune de Genève» sowie «Corriere del Ticino».
Essen und Betten statt Sturmgewehr
Sollten tatsächlich Soldaten an die Grenze entsandt werden, so bräuchte es ihm zufolge eine Koordination zwischen Staatssekretariat für Migration (SEM), Armee und Grenzwache-Einheiten, die in drei verschiedenen Departementen angesiedelt sind. Zudem wären die Kantone einzubinden. Derzeit werden laut Parmelin die Aufgaben aller Beteiligten festgelegt.
Als Vertreter der Kantone hatte sich am Freitag Hans-Jürg Käser zum Thema geäussert. Im Interview mit «Tages-Anzeiger» und «Bund» sagte der Präsident der Justiz- und Polizeidirektoren, es sei denkbar, dass die Armee beispielsweise auch Essen verteile oder Betten aufstelle. «Die Vorstellung, dass die Armee mit dem Sturmgewehr an der Grenze steht, ist unrealistisch.»
Käser skizzierte zudem verschiedene Szenarien. Eines gehe von 10’000 Asylgesuchen innerhalb eines Monats aus, ein zweites von je 10’000 Gesuchen während dreier aufeinanderfolgender Monate und ein drittes von 30’000 Grenzübertritten innert weniger Tage.
Alle auf Sicherheit und Gesundheitszustand überprüfen
«Trifft eines dieser drei Szenarien ein, können wir das mit den bisherigen Massnahmen nicht bewältigen», sagte Käser. Das Wichtigste sei, alle Asylsuchenden zu registrieren sowie auf ein allfälliges Sicherheitsrisiko und auf ihren Gesundheitszustand zu überprüfen.
Zudem sollen alle Ankommenden untergebracht und betreut werden: «Ich habe den Ehrgeiz, dass es im reichsten Land der Welt keine Obdachlosen gibt.» Insgesamt müsse der Bund 6000 Plätze zur Verfügung stellen – momentan gebe es aber erst 4800.
In diesen Unterkünften sollen die Menschen nur wenige Tage bleiben, bevor sie auf die Kantone verteilt werden. Bei dieser Zahl handelt es sich laut Käser um einen Vorschlag, je nach eintreffendem Notfallszenario brauche es vielleicht auch 10’000 Plätze.