Der Bundesrat will gegen illegale Gratis-Angebote im Internet vorgehen. Er hat am Freitag Vorschläge zur Änderung des Urheberrechts in die Vernehmlassung geschickt.
Wir hätten uns an den freien Zugang zu Werken im Internet gewöhnt, stellte Justizministerin Simonetta Sommaruga vor den Medien in Bern fest. Dass damit die Rechte von Musik- oder Filmschaffenden verletzt würden, sei den meisten nicht bewusst.
«Etwas ist aus dem Gleichgewicht geraten», sagte die Justizministerin. Die Kulturschaffenden hätten nämlich Anspruch darauf, dass sie für ihre Leistung entschädigt würden. Die Gesetzesänderungen sollen nun die Interessen der Urheber besser schützen, ohne dass die Nutzer von Internetangeboten kriminalisiert werden.
Wer für den privaten Gebrauch Filme oder Musik herunterlädt, wird auch künftig nicht belangt. Es soll aber weniger solche Angebote geben. Musik- oder Filmschaffende sollen zudem mehr Möglichkeiten erhalten, ihre Rechte durchzusetzen – und zwar über die Provider. Das sei am effizientesten, sagte Sommaruga.
Zugang zu Plattformen sperren
Geht es nach dem Willen des Bundesrates, müssen die Schweizer Hosting Provider – also Anbieter von Inhalten – künftig bei Urheberrechtsverletzungen über ihre Server die betreffenden Inhalte rasch entfernen. Damit würde die bereits geltende Praxis im Gesetz verankert.
Grosse Piratenseiten werden allerdings oft bei Hosting Providern im Ausland beherbergt. Deshalb sollen die Schweizer Access Provider – die Internetzugangsanbieter – künftig auf Anweisung der Behörden den Zugang zu bestimmten Seiten sperren müssen. Aktiv werden müssten die Musiker oder Filmemacher: Sie könnten dem Institut für Geistiges Eigentum (IGE) eine Seite melden, auf welcher ihre Werke gratis angeboten werden.
Nur in offensichtlichen Fällen
Sperren sollen nach dem Willen des Bundesrates jedoch nur in offensichtlichen Fällen verfügt werden, also bei Piratenplattformen. Plattformen wie Youtube mit einzelnen unerlaubt zugänglich gemachten Inhalten wären nicht betroffen.
Die betroffenen Anbieter könnten sich in einem verwaltungsrechtlichen Einspracheverfahren gegen die Sperre wehren. Das soll dafür sorgen, dass es nicht zu einem unverhältnismässigen «Overblocking» kommt. Im Gegenzug zu den neuen Pflichten sollen die Provider nicht mehr für Urheberrechtsverletzungen ihrer Kunden haften.
Zivilrechtliche Verfolgung
Auch die Nutzerinnen und Nutzer stehen aber in der Verantwortung. Bei Peer-to-Peer-Netzwerken – beispielsweise Musiktauschbörsen – wären Sperren das falsche Mittel, hält der Bundesrat fest. Er will stattdessen den Betroffenen Kulturschaffenden erleichtern, die Anbieter auf diesen Netzwerken zivilrechtlich zu verfolgen.
Auch hier sind die Regeln auf schwerwiegende Fälle ausgerichtet. Das IGE nennt als Beispiel den Upload eines noch nicht veröffentlichten Films oder Tausender von Musikdateien zum weltweiten Herunterladen. Heute ist dafür ausschliesslich eine strafrechtliche Verfolgung vorgesehen.
Fehlbare Nutzer identifizieren
Stellt ein Rechteinhaber – ein Musiker oder eine Filmemacherin – mittels spezieller Software fest, dass seine Werke im grossen Stil in einem Peer-to-Peer-Netzwerk angeboten werden, kann er veranlassen, dass der Access Provider den Nutzer zweimal auf die Rechtslage und mögliche Folgen hinweist.
Nützt das nichts, kann der Rechteinhaber bei einem Zivilgericht beantragen, dass der Nutzer des Internetanschlusses identifiziert wird. Das Zivilgericht könnte in der Folge den Kunden verpflichten, das urheberrechtsverletzende Verhalten zu unterlassen und den angerichteten Schaden zu ersetzen. Der Bundesrat hat sich damit für eine ähnliche Regelung entschieden, wie sie in Deutschland gilt.
Freiwillige Kollektivverwertung
Die Vorlage enthält zahlreiche weitere Neuerungen. So sieht sie die Möglichkeit einer freiwilligen Kollektivverwertung vor. Verwertungsgesellschaften können dadurch Massennutzungen – etwa auf Streamingdiensten – kollektiv erlauben, auch wenn sie nicht über die Rechte aller betroffenen Rechteinhaber verfügen. Die Rechteinhaber haben jedoch die Möglichkeit zu einem «opting out».
Bei der Nutzung digitaler Angebote sollen Konsumentinnen und Konsumenten künftig nicht mehr doppelt zahlen, also sowohl die Leerträgervergütung beim Kauf eines Geräts als auch den Download von Inhalten. Bei der Leerträgervergütung soll der Umfang der Nutzungen von Bezahldiensten berücksichtigt werden.
Vergütung beim Verleih
Der Bundesrat schlägt ferner vor, dass Bibliotheken den Kulturschaffenden künftig für das Verleihen von Büchern und anderen Werken eine Vergütung zahlen. Schliesslich will er die Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften verschärfen.
Die Vorschläge des Bundesrates orientieren sich an den Empfehlungen der Arbeitsgruppe AGUR12, welche Sommaruga eingesetzt hatte. Darin vertreten waren Kulturschaffende, Konsumentenorganisationen, Verwertungsgesellschaften und Dachorganisationen von Providern.
Der Bundesrat hat am Freitag auch zwei Abkommen der Weltorganisation für geistiges Eigentum in die Vernehmlassung geschickt. Die Schweiz erfüllt die Anforderungen bereits.