Der Bundesrat will gegen Lohndiskriminierung vorgehen. Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitenden sollen verpflichtet werden, Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern transparent zu machen. Daran hält der Bundesrat trotz Widerstand in der Vernehmlassung fest.
Die Kritik habe den Bundesrat nicht überzeugt, sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga am Mittwoch vor den Medien in Bern. Lohngleichheit sei nicht «nice to have», sondern seit 35 Jahren in der Verfassung verankert.
Doch die Schweiz sei weit davon entfernt, dass Frauen und Männer für gleiche Arbeit gleich viel verdienten. Nach wie vor betrage der nicht erklärbare Lohnunterschied 8,7 Prozent, was 678 Franken pro Monat entspreche. Pro Jahr sind das über 8000 Franken.
Ende der Freiwilligkeit
Die Schweiz sei sogar zurückgefallen, sagte Sommaruga mit Verweis auf das gleichentags veröffentlichte internationale Ranking. Zwar könnten Frauen gegen Lohndiskriminierung klagen, doch sei das kostspielig. Auch der freiwillige Weg mit dem Lohngleichheitsdialog habe nicht zum Ziel geführt. Der Bundesrat sei deshalb der Auffassung, dass es gesetzliche Massnahmen brauche.
Die Regierung hat das Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) am Mittwoch beauftragt, bis nächsten Sommer einen Gesetzesentwurf auszuarbeiten. In den wesentlichen Punkten will sie bei den ursprünglichen Vorschlägen bleiben. Eine «Lohnpolizei» im Sinne staatlicher Kontrollen und Sanktionen ist nicht geplant: Der Bundesrat setzt darauf, dass Unternehmen die Löhne anpassen, wenn die Ungleichheit sichtbar wird.
Externe Prüfung
Von den neuen Regeln betroffen wären Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden. Sie sollen verpflichtet werden, alle vier Jahre eine Lohnanalyse durchzuführen und diese von einer Revisionsstelle überprüfen zu lassen.
In der Vernehmlassung hatte der Bundesrat vorgeschlagen, auch staatlich anerkannte Selbstregulierungsorganisationen für die Prüfung zuzulassen. Darauf will er nun verzichten. Er will aber Möglichkeiten für ein Zertifizierungssystem prüfen. Zudem sollen die Unternehmen bei der Durchführung der Lohnanalysen Gewerkschaften einbeziehen können anstelle der Kontrolle durch eine Revisionsstelle.
Arbeitnehmende informieren
Anschliessend müssten die Arbeitgeber die Angestellten über das Ergebnis der Kontrolle und das Ausmass einer allfälligen Lohndiskriminierung informieren. Diese Informationspflicht soll für das Unternehmen einen Anreiz schaffen, Unstimmigkeiten zu korrigieren.
Als Variante hatte der Bundesrat eine Meldepflicht an eine staatliche Stelle und eine öffentlich zugängliche Liste säumiger Arbeitgeber zur Diskussion gestellt. Weil die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer dies ablehnte, will der Bundesrat nun aber darauf verzichten.
Selbstverantwortung der Arbeitgeber
Der Bundesrat setze damit voll auf die Selbstverantwortung der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, schreibt das EJPD in einer Mitteilung. Sommaruga sprach von von einer schlanken Regelung, die viel bewirken könne.
Ob die Vorlage im Parlament eine Mehrheit findet, ist indes offen. Die Vorschläge hätten in der Vernehmlassung stark polarisiert, stellte Sommaruga fest. Begrüsst wurden sie von der Hälfte der Kantone, der SP, den Grünen, der GLP und den Arbeitnehmerorganisationen. Allerdings hätten sich diese Sanktionen gewünscht.
Widerstand im bürgerlichen Lager
Gegen eine Regulierung stellten sich die andere Hälfte der Kantone, SVP, FDP, CVP und BDP sowie die Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände. Eine geschlossene Ablehnung durch die bürgerlichen Parteien ist allerdings nicht zu erwarten: Die CVP- und die FDP-Frauen etwa sprachen sich für Massnahmen aus.
Die Kritiker warnen vor administrativem Aufwand und Kosten für die Unternehmen. Dazu sagte Sommaruga, auch Lohndiskriminierung habe ihren Preis. Gemäss einer Regulierungsfolgeabschätzung, die der Bundesrat vor einem Jahr veröffentlichte, würde der Aufwand für mittlere Unternehmen zwei Tage betragen.
Unternehmen mehrheitlich dafür
Zwei Drittel der Unternehmen befürworten laut der Studie staatliche Massnahmen. Zudem zeigte die Untersuchung, dass die Lohnanalyse wirkt: Von jenen Unternehmen, die bereits eine solche durchgeführt haben, hat die Hälfte Korrekturmassnahmen vorgenommen. In erster Linie wurden die Löhne von Frauen angepasst.
Manche Kritiker stellen auch das Ausmass der Lohndiskriminierung in Frage. Sie monieren, dass diese verschwinden würde, wenn beim Lohnvergleich weitere Faktoren berücksichtigt würden. Dazu hatte der Bundesrat ebenfalls eine Studie erstellen lassen. Diese kam zum Schluss, dass sich Lohnungleichheit nicht wegerklären lässt.