Bundesrat will Verlagerungspolitik «klimapolitisch einbetten»

Der Bundesrat stellt wegen des technischen Fortschritts bei Lastwagen die Zielsetzung der Verlagerungspolitik in Frage. Er will wegen der abgasärmeren Fahrzeuge die Verlagerungspolitik nun «stärker umwelt- und klimapolitisch» einbetten.

Rollende Autobahn am Simplontunnel in Brig (Archiv) (Bild: sda)

Der Bundesrat stellt wegen des technischen Fortschritts bei Lastwagen die Zielsetzung der Verlagerungspolitik in Frage. Er will wegen der abgasärmeren Fahrzeuge die Verlagerungspolitik nun «stärker umwelt- und klimapolitisch» einbetten.

«Prognosen gehen davon aus, dass die vom Schwerverkehr verursachte Umweltbelastung im Alpenraum dank der Erneuerung des Fahrzeugparks und den bisherigen Verlagerungsmassnahmen bis im Jahr 2020 zurückgeht», teilte das Bundesamt für Verkehr (BAV) am Freitag mit.

Dies werfe «grundsätzliche Fragen» zur Zielsetzung der Verlagerungspolitik und zum Schutz der Lebensräume im Alpenraum auf, hält das BAV fest. Der Bundesrat will etwa die Frage klären, «ob der Gesamtstrassenverkehr auf den Transitachsen in die Abwägung geeigneter Massnahmen einbezogen werden müsste».

Effektivität, Effizienz und auch die Verhältnismässigkeit neuer und bestehender Massnahmen «müssen aus Sicht des Bundesrates verstärkt im Vergleich zu anderen Massnahmen, welche die Umweltsituation im Alpengebiet ebenfalls verbessern können, bewertet werden», hält der Bericht fest.

1,2 Millionen Lastwagen queren die Alpen

Gemäss dem Bericht zur Verlagerung des alpenquerenden Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene können mit den bisherigen Massnahmen jährlich 650’000 bis 700’000 Lastwagenfahrten über die Alpen vermieden werden.

Dennoch querten 2012 rund 1,2 Millionen Lastwagen die Schweizer Alpen. Das gesetzliche Verlagerungsziel von total 650’000 alpenquerenden Lastwagenfahrten bis 2018 wird also weiterhin verfehlt.

Bis die NEAT durchgehend in Betrieb und der Viermeterkorridor am Gotthard verwirklicht ist, will der Bundesrat den unbegleiteten kombinierten Verkehr weiterhin unterstützen – und zwar vier Jahre länger als bislang vorgesehen, nämlich bis 2023. Danach soll er eigenwirtschaftlich sein.

Keine Unterstützung mehr nach 2023

Der Bundesrat beantragt dem Parlament deshalb neben der Verlängerung auch eine Aufstockung des Zahlungsrahmens um 180 Millionen Franken. Da im bestehenden Zahlungsrahmen 170 Millionen Franken nicht ausgeschöpft wurden, summiert sich die Unterstützung des unbegleiteten kombinierten Verkehrs durch die Alpen auf 350 Millionen Franken.

Im Güterverkehr durch die Schweizer Alpen werden die meisten Waren per Bahn befördert. Mit einem Schienenanteil von 63,4 Prozent liegt die Schweiz im internationalen Vergleich mit Abstand an der Spitze.

Grüne sehen Volkswillen missachtet

Die Alpen-Initiative und die Grüne Partei zeigten sich über den Verlagerungsbericht enttäuscht. Aus ihrer Sicht wird der Volkswille missachtet. Faktisch habe sich seit dem letzten Bericht von 2011 auf den Transitstrecken durch die Alpen nichts verändert, obwohl der Bundesrat klaren gesetzlichen Vorgaben zu folgen hätte, kritisiert die Alpen-Initiative.

«Mit dem Herumschrauben am Verlagerungsziel und dem Bau der zweiten Gotthardröhre rollt die Schweiz der europäischen Lastwagenflut den roten Teppich aus», sagte Regula Rytz, Co-Präsidentin der Grünen und Vorstandsmitglied bei der Alpen-Initiative, gemäss Communiqué.

Zufrieden mit dem Verlagerungsbericht ist der Nutzfahrzeugverband ASTAG. «Das entspricht unserer Forderung, die wir seit Jahren stellen», sagte ASTAG-Direktor Michael Gehrken zum Entscheid des Bundesrates, die Zielsetzung der Verlagerungspolitik grundsätzlich zu überdenken. Das Verlagerungsziel, wie es heute im Gesetz verankert ist, sei «in dieser Form utopisch».

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