Der Bundesrat will in den nächsten drei Jahren 500 Kontingentsflüchtlinge aufnehmen. Dies hat er an seiner Sitzung vom Mittwoch entschieden. Die Regierung reagiert mit der erleichterten Aufnahme von ganzen Flüchtlingsgruppen auf die desaströsen Situation in Syrien.
Das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) ist bereits mit konkreten Ersuchen an die Schweiz gelangt, wie das Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) mitteilte. Das Bundesamt für Migration (BFM) prüft derzeit die Dossiers. Frühestens im Oktober werden die ersten rund 50 Flüchtlinge in der Schweiz eintreffen.
«Es geht uns um besonders verletzliche Flüchtlinge, wie etwa traumatisierte Kinder, Alte, Kranke oder Behinderte. Bei diesen reicht die Hilfe im Fluchtland manchmal nicht, die Aufnahme in einen sicheren Drittstaat ist nötig», sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga am Mittwoch vor Medienvertretern in Bern.
Das dreijährige Pilotprojekt sieht vor, dass die Frauen- und Mädchenquote bei den sogenannten Kontingentsflüchtlingen bei 40 bis 60 Prozent liegt. Mindestens 7 Prozent der Plätze sollen an Behinderte, Kranke oder Betagte vergeben werden. Das UNHCR unterbreitet der Schweiz aufgrund dieser Vorgaben Dossiers und vermittelt Flüchtlinge, die als schutzbedürftig eingestuft werden.
Sommaruga betonte aber auch die Wichtigkeit der Hilfe vor Ort. «Der weitaus grösste Teil der Flüchtlinge wird von armen und ärmsten Ländern aufgenommen. Darum ist die Unterstützung vor Ort sehr wichtig und die Schweiz leistet hier mit 50 Millionen Franken einen wichtigen Beitrag.»
Drei bis vier Kantone für Pilotphase
Der Bund sucht nun drei bis vier Kantone, die bereit sind, im Rahmen des Pilotprojektes Flüchtlingsgruppen aufzunehmen. Für diese soll ein spezielles Integrationsprogramm mit Sprachkursen, Schulungen, Nachholbildungen, Lehren und Praktika aufgebaut werden. Die Teilnahme ist für die Flüchtlinge zwingend. Ziel ist eine bessere berufliche Integration. «Wenn das Programm erfolgreich ist, könnten wir es auch auf andere Flüchtlinge ausweiten», sagte Sommaruga.
Für das Pilotprojekt rechnet der Bund mit Kosten von fast 40 Millionen Franken. 12 Millionen davon sind für die Integrationsmassnahmen in den Kantonen vorgesehen. Dieser Betrag muss vom Parlament bewilligt werden.
Sommaruga gibt sich zuversichtlich. «Die Situation in Syrien erschüttert uns alle, der Wunsch zu helfen, ist gross», sagte sie mit Verweis auf die mittlerweile 2,5 Millionen Syrer auf der Flucht. Sollte das Parlament dem Kredit nicht zustimmen, «finden wir einen anderen Weg».
Die SP-Bundesrätin machte auch klar, dass sie die Aufnahme von Kontingentsflüchtlingen langfristig wieder einführen will. Die Schweiz hatte bereits zwischen den 1950er und den 1990er Jahren wiederholt grössere Flüchtlingskontingente aufgenommen. In den letzten Jahren waren es jeweils nur noch kleinere Gruppen von unter 100 Personen.
«Wir dürfen nicht vergessen, dass Syrien nicht der einzige Ort ist, wo Menschen in grosser Not sind und dringend auf unsere Unterstützung angewiesen sind», sagte Sommaruga. Sie wolle deshalb die lange Schweizer Tradition der Kontingentsflüchtlinge wiederbeleben. Auch das jetzige Kontingent für 500 Personen müsse «nicht zwingend» nur für Syrer gelten.
Familiennachzug wird erleichtert
Als weitere Sofortmassnahme hat Sommaruga beschlossen, den Familiennachzug für Syrer zu erleichtern. In der Schweiz lebende Syrer mit einem B- oder C-Ausweis konnten bereits bis anhin ihre Ehegatten und Kinder bis 18 Jahre erleichtert in die Schweiz holen. Ab sofort gilt dies auch für Grosseltern, Eltern, erwachsene Kinder, Enkelkinder, Geschwister und deren Kernfamilien.
Laut Sommaruga leben derzeit 1597 Syrer und Syrerinnen mit einer entsprechenden Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz. «Wir hoffen, damit eine Möglichkeit zu schaffen, dass Syrer in Not, die Angehörige in der Schweiz haben, hierherkommen können», sagte sie.