Ganz oder gar nicht: Die Reform der Altersvorsoge hat aus Sicht des Bundesrates nur als Gesamtpaket mit Rentenanpassungen sowie höherer Mehrwertsteuer eine Chance vor dem Volk. Ein erster Entwurf des Grossprojekts zu den Sozialwerken geht in die Vernehmlassung.
Seit einem Jahr sind die Grundzüge der Grossreform der Sozialwerke bekannt – Kritik musste sich der Bundesrat aus allen Lagern anhören. In seinen am Mittwoch verabschiedeten konkreten Vorschlägen hat er die Stossrichtung dennoch fast unverändert beibehalten.
Er pocht auf eine Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre und der Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6,0 Prozent. Beides kritisiert die Linke. Aber der Bundesrat trotzt auch dem Widerstand der Bürgerlichen und beharrt auf einer Mehrwertsteuererhöhung, um die Finanzierung der AHV zu gewährleisten.
Das Haus als Ganzes kaufen
Vor allem will er die Reform der 1. und 2. Säule nicht aufspalten. «Ein Haus kauft man auch als Ganzes», sagte Sozialminister Alain Berset in Bern. Einzeln hätten Rentensenkungen oder Steuererhöhungen keine Chance vor dem Volk, gab sich der SP-Bundesrat überzeugt. Ein solches Vorgehen «bringt uns nicht sehr weit», sagte er.
Das «ausgewogene» Paket enthalte aber Abfederungen, so dass das Rentenniveau gleich bleibe. «Am Schluss zählt, wie hoch die Rente ausfällt», sagte Berset. Dennoch würden die dringend nötigen Reformen zur Sicherung der Sozialwerke durchgeführt. Aus seiner Sicht ist das Paket damit mehrheitsfähig.
Um das Gesamtpaket durchzubringen, möchte der Bundesrat eine Guillotine-Klausel einbauen: Ein Nein in einer Abstimmung würde das ganze Paket zu Fall bringen. Eine Steuererhöhung ohne Reformen soll nicht möglich sein, der umgekehrte Fall auch nicht.
Ob das Parlament nach dem Gusto des Bundesrates vorgehen will, bleibt offen. Bereits sind Forderungen nach einer Trennung der Vorlage und beispielsweise einer vorzeitigen Anhebung des Rentenalters für Frauen auf 65 Jahre laut geworden. Auch die Mehrwertsteuererhöhung dürfte es schwer haben.
Neu ein Referenzalter
Zu den Vorschlägen gehört, dass das Rentenalter der Frauen in sechs Jahren von 64 auf 65 Jahre erhöht werden soll. Unter dem Begriff «Referenzalter» will der Bundesrat zudem Teilrenten davor und danach ermöglichen. Eine Frühpensionierung wäre erst ab 62 statt schon ab 58 Jahren möglich, wobei es Ausnahmen gäbe für Personen, die in Tieflohn-Berufen arbeiten und typischerweise eine tiefere Lebenserwartung haben.
Der Umwandlungssatz, mit dem die Rentenhöhe der Beruflichen Vorsorge (2. Säule) berechnet wird, soll innert vier Jahren von 6,8 auf 6,0 Prozent sinken. Noch 2010 hatte das Volk eine Senkung auf 6,4 Prozent deutlich abgelehnt. Abgefedert werden soll diese Senkung durch andere Massnahmen, die für gleich hohe Renten sorgen sollen – beispielsweise früheres Sparen.
Höhere Mindestquote bei Versicherungen
Konkretisiert hat der Bundesrat gegenüber früheren Äusserungen, inwiefern er die Versicherungsgesellschaften respektive deren Aktionäre für die Sicherung der Sozialwerke zur Kasse bitten will. In zwei Varianten schlägt er vor, die Mindestquote («Legal Quote») für die Überschussverteilung in der zweiten Säule zu erhöhen.
Vom Betriebsergebnis sollen 94 statt heute 90 Prozent den künftigen Rentnern zu Gute kommen. Tatsächlich lag die Ausschüttung in den vergangenen sieben Jahren bei 96,2 Prozent. Allerdings kritisiert die Linke unter dem Titel «Rentenklau» immer wieder, dass Versicherer sich zu stark aus den Sparguthaben bedienen. Bei der Transparenz und den Kosten, etwa für die Vermögensverwaltung, will der Bundesrat die Versicherer ebenfalls in die Pflicht nehmen.
Weitere Vorschläge des Bundesrates betreffen die Finanzierung. Die Regierung möchte die AHV bis ungefähr 2030 mit zwei zusätzlichen Mehrwertsteuerprozenten finanzieren, allerdings schrittweise. Ein erstes Prozent könnte bei Inkrafttreten der Reform eingeführt werden, ein zweites ungefähr 2030.
Automatismen einbauen
Eine Schuldenbremse – ein «Interventionsmechanismus» – soll zudem für eine rechtzeitige Sanierung der AHV sorgen: Wenn die Reserven unter einen bestimmten Wert fallen, könnten automatisch die Beiträge erhöht und die Renten nur noch teilweise angepasst werden. Dies jedoch nur, wenn das Parlament zuvor nicht selbst reagiert.
Die Vernehmlassung zum Reformpaket dauert bis zum 31. März 2014. Auf Ende 2014 möchte der Bundesrat dann die Gesetzesänderungen verabschieden und dem Parlament zuleiten, das sich mit dem brisanten Dossier im Wahljahr 2015 beschäftigen müsste.