Bundestagspräsident verurteilt Erdogans Attacken – Merkel-Applaus

Der Konflikt um die Armenien-Resolution des deutschen Bundestages verschärft sich weiter: Im Namen aller Fraktionen verurteilte Bundestagspräsident Lammert die Verbalattacken des türkischen Präsidenten Erdogan besonders gegen Abgeordnete mit türkischen Wurzeln scharf.

Da klatscht auch Kanzlerin Merkel, wenn der Bundestagspräsident türkischstämmige Abgeordnete vor den Hasstiraden von Präsident Erdogan in Schutz nimmt. (Bild: sda)

Der Konflikt um die Armenien-Resolution des deutschen Bundestages verschärft sich weiter: Im Namen aller Fraktionen verurteilte Bundestagspräsident Lammert die Verbalattacken des türkischen Präsidenten Erdogan besonders gegen Abgeordnete mit türkischen Wurzeln scharf.

Bundeskanzlerin Angela Merkel applaudierte. Unterstützung bekam der Bundestag zudem von EU-Parlamentschef Martin Schulz. Präsident Recep Tayyip Erdogan seinerseits wiederholte die Angriffe und sagte, wie «Terroristen» hätten die türkischstämmigen Bundestagsabgeordneten «verdorbenes Blut».

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) wurde deutlich, als er zu Beginn der Parlamentssitzung am Donnerstag das Wort ergriff: Die «zum Teil hasserfüllten Drohungen und Schmähungen» als Reaktion auf die Armenien-Resolution seien durch Äusserungen hochrangiger türkischer Politiker gefördert worden, kritisierte er.

«Dass ein demokratisch gewählter Staatspräsident im 21. Jahrhundert seine Kritik an demokratisch gewählten Abgeordneten des Deutschen Bundestages mit Zweifeln an deren türkischer Abstammung verbindet, ihr Blut als verdorben bezeichnet, hätte ich nicht für möglich gehalten», sagte der Bundestagspräsident. «Und die Verdächtigung von Mitgliedern dieses Parlamentes als Sprachrohr von Terroristen, weise ich in aller Form zurück.»

Kanzlerin klatscht Applaus

Innnenminister Thomas de Maizière (CDU) dankte dem Bundestagspräsidenten für die «klaren Worte». Merkel (CDU), die bei dem Votum über die Armenien-Resolution noch gefehlt hatte, klatschte den Worten Lammerts auf der Regierungsbank Applaus.

Nach den scharfen Äusserungen des Parlamentschefs zog die Linke den Antrag zurück, in einer Aktuellen Stunde über die Drohungen gegen Abgeordnete zu diskutieren. Die Aussagen Lammerts seien «stark und treffend» gewesen, sagte ein Fraktionssprecher.

Auslöser der diplomatischen Krise zwischen Berlin und Ankara ist die vergangene Woche mit den Stimmen aller Fraktionen verabschiedete Resolution, in der die Abgeordneten die Massaker an rund 1,5 Millionen Armeniern und Angehörigen anderer christlicher Minderheiten 1915/16 im Osmanischen Reich erstmals offiziell als Völkermord einstuften. Die türkische Regierung lehnt dies vehement ab.

Erdogan hatte Bundestagsabgeordneten mit türkischen Wurzeln wegen ihrer Zustimmung zu der Resolution vorgeworfen, sie seien ein Sprachrohr der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Der Staatschef wiederholte am Mittwochabend zudem die Aussage, wie «Terroristen» hätten die türkischstämmigen Parlamentarier «verdorbenes Blut».

EU-Parlamentspräsident: Tabubruch

Inzwischen rufen die Aussagen Erdogans auch die EU auf den Plan. Parlamentarier dürften trotz Meinungsverschiedenheiten «keinesfalls in die Nähe von Terroristen gerückt werden», kritisierte EU-Parlamentspräsident Schulz in einem Brief Erdogan. «Ein solches Vorgehen stellt einen absoluten Tabubruch dar, den ich aufs Schärfste verurteile», stellte der deutsche Sozialdemokrat (SPD) klar.

Besonderes der türkischstämmige Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir zog durch seinen Einsatz für die Resolution heftigen Zorn von türkischer Seite auf sich. Er erhielt Morddrohungen und steht nun unter Polizeischutz. In der türkisch-armenischen Wochenzeitung «Agos» rief Özdemir Merkel auf, bestimmter auf die Beleidigungen und Drohungen zu reagieren.

Türkische Abgeordnete erstatten Anzeige

Wie die türkische Zeitung «Hürriyet» am Donnerstag meldete, zeigte eine Gruppe türkischer Abgeordneter elf Bundestagsabgeordnete mit türkischem Hintergrund aufgrund ihrer Stimme für die Völkermord-Resolution wegen «Beleidigung des Türkentums und des türkischen Staates» an.

Demnach fordern die türkischen Abgeordneten, die sich selbst Kampfverband für Gerechtigkeit nennen, Ermittlungen der türkischen Staatsanwaltschaft.

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