Der britische Premier David Cameron ist am Freitag bei einem Besuch in Polen mit seinem EU-Reformplan auf wenig Gegenliebe gestossen. Polens Regierungschefin Beata Szydlo kritisierte den Vorschlag, EU-Ausländern in Grossbritannien Sozialleistungen vorzuenthalten.
Dieses Ansinnen «macht mich nicht glücklich», sagte Polens Regierungschefin Szydlo bereits im Vorfeld des Gesprächs mit Cameron der britischen Zeitung «The Times». Bei einer gemeinsamen Medienkonferenz nach dem Treffen sagte sie dann diplomatisch: «Es gibt immer Themen, die ausgebügelt werden müssen.»
Auch Polens starker Mann, der Chef der national-konservativen Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski, traf sich in einem Warschauer Hotel mit Cameron. Er sprach im Anschluss immerhin von einer «sehr guten Begegnung».
Von etwaigen Sozialkürzungen blieben all jene verschont, die jetzt schon in Grossbritannien lebten, betonte Kaczynski. Und die Entscheidung über das Ziehen der sogenannten Notbremse obliege der EU, werde also «mit polnischer Beteiligung getroffen».
EU-Ratschef Donald Tusk – ein früherer polnischer Ministerpräsident – hatte am Dienstag seine Kompromissvorschläge zu Camerons Reform-Wünschen auf den Tisch gelegt. Der Premier will die EU für die Briten attraktiver machen, um dann vor dem «Brexit»-Referendum für den Verbleib seines Landes in der Europäischen Union werben zu können. Der wichtigste Punkt seiner Reformwünsche: Durch die Kappung von Sozialleistungen für EU-Ausländer will er den Zuzug begrenzen.
Eine Million Polen
«Mehr als eine Million Polen leben und arbeiten in Grossbritannien», gab Szydlo am Freitag zu bedenken. Ihre Arbeit trage zum britischen Sozialprodukt bei und «wir wollen, dass sie die selben Entwicklungschancen haben wie die Briten.»
Vor dem entscheidenden EU-Gipfel in zwei Wochen will Polen mit der Slowakei, mit Tschechien und Ungarn eine gemeinsame Haltung finden. Das Hauptanliegen der vier Staaten der sogenannten Visegrad-Gruppe sei es, eine Benachteiligung nicht-britischer EU-Bürger zu verhindern, sagte Ungarns Regierungschef Victor Orban im ungarischen Radio.
Auch in Spanien gibt es Widerstand gegen die von Brüssel vorgeschlagene «Notbremse», also die Streichung von Sozialleistungen bei einer aussergewöhnlichen Belastung der nationalen Sozialsysteme.
Frankreichs Staatschef François Hollande hatte am Mittwoch «neue Verhandlungen» über die Inhalte von Tusks Kompromissvorschlag abgelehnt. Er erteilte vor allem dem Londoner Wunsch eine Absage, Nicht-Euro-Mitgliedern wie Grossbritannien ein Vetorecht über Entscheidungen der Währungsgemeinschaft einzuräumen. EU-Diplomaten erwarten daher schwierige Gespräche auf dem anstehenden EU-Gipfel.
Zustimmung für EU-Ausstieg wächst
Wie wichtig es für Cameron ist, sich als Sieger des Ringens präsentieren zu können, zeigt eine am Freitag veröffentlichte Umfrage des Instituts YouGov für die «Times». 45 Prozent der Briten gaben sich darin als «Brexit»-Befürworter zu erkennen, die den EU-Ausstieg wollen.
Nur 36 Prozent wollen in der Union bleiben. Binnen einer Woche legte der Anteil der «Brexit»-Befürworter um drei Prozentpunkte zu. Alle anderen Befragten zeigten sich unentschlossen oder gaben an, an einem Referendum nicht teilnehmen zu wollen. Die Abstimmung findet wahrscheinlich noch diesen Sommer statt.