Grossbritanniens Premierminister David Cameron sieht keine Möglichkeit einer Rückkehr seines Landes in die EU, sollten die Briten am Donnerstag für einen Austritt stimmen. Es werde keine zweite Chance geben, über die Rolle Grossbritanniens in der EU zu entscheiden.
«Das ist eine unumkehrbare Entscheidung mit sehr schlechten Konsequenzen für die britische Wirtschaft», sagte Cameron der «Sunday Times». Cameron machte zudem klar, dass er auch im Falle eines Brexit nicht zurücktreten wolle. «Es wird kein Urteil über mich sein, wie auch immer der Ausgang ist.»
Die «Sunday Times» empfahl ihren Lesern in einem Leitartikel, zunächst für einen Austritt aus der EU zu stimmen. So solle der Druck erhöht werden, um eine tiefergehende Reform der EU zu erzielen. Diese würde es den Briten dann leichter machen, nach einem zweiten Referendum letztendlich doch in der Gemeinschaft zu bleiben.
Die «Sunday Times» griff damit einen Vorschlag des ehemaligen Londoner Bürgermeisters Boris Johnson auf, einem der prominentesten Verfechter eines «Nein» zur EU.
EU-Befürworter vorn
Die Zeitung veröffentlichte auch eine am Donnerstag und Freitag erstellte YouGov-Umfrage, wonach die EU-Befürworter wieder leicht vorne liegen. Sie kommen auf 44 Prozent, die zuletzt führenden EU-Gegner auf 43 Prozent. Auch andere am Samstag veröffentlichte Umfragen zeigen, dass die EU-Befürworter wieder mehr Zulauf bekommen.
Der Umschwung habe aber nichts mit dem tödlichen Attentat auf die Abgeordnete Jo Cox zu tun, erläuterte die «Sunday Times». Vielmehr spiegelten sich in der Erhebung wachsende Sorgen wegen möglicher wirtschaftlicher Folgen eines sogenannten Brexit wider.
Wahlkampf läuft wieder
Nach dem Attentat auf Cox war der Abstimmungskampf vorübergehend ausgesetzt worden. Am Sonntag soll er weitergehen: Premierminister Cameron stellt sich am Abend (19.45 MESZ) im BBC-Fernsehen Fragen von Zuschauern. Auch Justizminister Michael Gove, ein Austritts-Wortführer, tritt öffentlich auf.
Mit Spannung wird erwartet, ob die Wortführer beider Lager ihren Ton im Wahlkampf mässigen. Kritiker hatten moniert, die Debatte sei zuletzt immer giftiger geführt worden. Sowohl Cameron als auch Labour-Oppositionschef Jeremy Corbyn plädierten nach dem Attentat dafür, Hass und Intoleranz in der Politik zu überwinden.
Die getötete Abgeordnete Cox hatte seit Beginn der Kampagne für einen Verbleib Grossbritanniens in der EU geworben. Sie hatte sich zudem für Flüchtlinge eingesetzt.
Der mutmassliche Attentäter war am Samstag bereits vor Gericht erschienen. Auf die Frage nach seinem Namen sagte er: «Tod den Verrätern, Freiheit für Grossbritannien». Die Richterin plädierte daraufhin für ein psychiatrisches Gutachten.