Die reichen EU-Nettozahler Deutschland und Grossbritannien haben sich am zweitägigen EU-Gipfel zu den künftigen Brüsseler Finanzen durchgesetzt: In einem Sparhaushalt wird die Union in den kommenden sieben Jahren erstmals weniger Geld ausgeben als in der Vergangenheit.
Der Finanzrahmen von 2014 bis 2020 soll 960 Milliarden Euro betragen. In der Vorperiode waren es inklusive Inflationsausgleich 993,6 Milliarden Euro gewesen.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel setzte durch, das Budget auf genau ein Prozent der EU-Wirtschaftsleistung zu begrenzen. Deutschland, das auch einer der grössten Empfänger von EU-Geldern ist, verteidigte zudem die Zahlungen an strukturschwache Regionen in den neuen Bundesländern.
Die 27 Staatenlenker setzten vor dem Hintergrund der Krise damit ein Zeichen, dass die Union berechenbar bleibt. Der Mehrjahreshaushalt soll die Planungssicherheit für langfristige Vorhaben wie etwa Energie- und Verkehrstrassen erhöhen.
Die insgesamt fast 26-stündigen Verhandlungen hatten am Donnerstagnachmittag begonnen, zogen sich über die ganze Nacht hin und liefen am Freitag weiter, da Einzelheiten immer noch umstritten waren und wiederholt in kleiner Runde geklärt werden mussten. Erleichterung herrschte bei allen, als Gipfelchef Herman Van Rompuy am Freitagnachmittag per Kurznachrichtendienst Twitter mitteilte: „Die Einigung ist geschafft.“
Zugeständnisse an Cameron
Die Einsparungen betreffen die verschiedensten Bereiche. Dies kommt den Wünschen der Staaten entgegen, die mehr Geld nach Brüssel zahlen, als sie von dort zurückerhalten.
Die Gipfelrunde half mit der niedrigeren Summe dem britischen Premier David Cameron, der zu Hause unter dem Druck der Europaskeptiker steht und ein Sparbudget präsentieren muss. Er hatte gedroht, die Beratungen wie bereits beim ersten Anlauf im November scheitern zu lassen.
Cameron erreichte, dass Grossbritannien seinen Abschlag auf Einzahlungen in die EU-Kasse – den „Briten-Rabatt“ – behält: Dieser hatte vorletztes Jahr 3,6 Milliarden Euro ausgemacht. Auch beim Posten EU-Verwaltung wird etwas gespart – die Beamtengehälter sind Cameron seit langem ein Dorn im Auge. Statt 61,6 Milliarden Euro gibt es für die Verwaltung eine Milliarde Euro weniger als zunächst vorgeschlagen.
Zudem half der Gipfel Cameron mit einem Buchhaltungstrick, das Ergebnis besser zu verkaufen: Für die tatsächlichen Auszahlungen allein in der neuen Haushaltsperiode sind nur 908,4 Milliarden Euro vorgesehen, eine Kürzung um 34 Milliarden zur vorherigen Periode.
Parlament droht mit Veto
Die höhere Summe von 960 Milliarden Euro, im EU-Jargon Verpflichtungsermächtigungen genannt, sind die erlaubten Finanzzusagen für neue Projekte, die auch über die Haushaltsperiode hinaus laufen und noch danach Kosten verursachen können. Sie sind aber nur im engeren Sinne die Obergrenze der EU-Finanzplanung: Rechnet man auch sogenannte Schattenhaushalte dazu, unter anderem Entwicklungspolitik, steigt die Obergrenze auf 997 Milliarden Euro.
Die Differenz zwischen Auszahlungen und Verpflichtungen sorgt für Widerstand aus dem EU-Parlament, das dem Haushalt zustimmen muss. Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) drohte mit einer Blockade: „Das nennt man ein Defizit. Ich unterschreibe keinen Defizit-Haushalt mehr.“ Die Staatenlenker vereinbarten daher, Mittel flexibler als bisher zwischen einzelnen Jahresetats schieben zu können.
Die grössten Ausgabenblöcke des Budgets sind traditionell für die Landwirtschaft (373 Milliarden Euro) und die Förderung von Wachstum und armen Regionen (450,4 Milliarden) reserviert. Für eine neue Initiative gegen Jugendarbeitslosigkeit werden 6 Milliarden Euro bereitgestellt.