Der britische Premier David Cameron hat die Europäische Union zu einer grundlegenden Reform aufgefordert, damit sein Land EU-Mitglied bleibt. Über den Verbleib Grossbritanniens in der EU will Cameron die Briten abstimmen lassen, wie der Premier am Mittwoch in London ankündigte.
Das Referendum solle in der ersten Hälfte der neuen Legislaturperiode stattfinden, die im Mai 2015 beginnt, sagte Cameron in seiner lange erwarteten Grundsatzrede zu Europa. „Es ist Zeit, dass das britische Volk abstimmen kann. Es ist Zeit, dass wir diese Frage zu Grossbritannien und Europa lösen.“
Cameron machte deutlich, dass die dann zu fällende Entscheidung unumstösslich sein wird. „Es ist ein einfaches Ticket, keine Rückfahrkarte.“ Zum Referendum kommt es jedoch nur, wenn Cameron im Frühjahr 2015 erneut zum Premierminister gewählt wird.
Cameron verlangt flexiblere EU
Der Premierminister forderte, die EU müsse flexibler und wettbewerbsfähiger werden. „Wir brauchen eine Struktur, welche die Unterschiedlichkeit der Mitgliedsstaaten widerspiegelt“, sagte der Premierminister, der als Schauplatz für seine mehrmals verschobene Rede schliesslich das Bankenviertel in der Londoner City ausgewählt hatte.
„Die Länder sind unterschiedlich, sie treffen unterschiedliche Entscheidungen. Man kann nicht alles harmonisieren“, betonte er und forderte Änderungen in den EU-Verträgen.
Für Grossbritannien stünden weniger politische Überlegungen, sondern vor allem der Binnenmarkt im Vordergrund. Er werde mit „Herz und Seele“ dafür kämpfen, dass Grossbritannien Bestandteil einer reformierten EU bleibe. In ihrem jetzigen Zustand drohe die Union allerdings zu scheitern. „Ich möchte nicht, dass das passiert.“
Opposition sieht Hardliner als Gewinner
Die Labour-Opposition sprach sich gegen eine solche Volksabstimmung aus. Sie hält ein solches Vorgehen für ein Glücksspiel. Sie warf Cameron vor, ein weiteres Mal dem rechten Flügel seiner eigenen Partei nachgegeben zu haben. Er habe Parteiinteressen über die Interessen des Landes gestellt, sagte der frühere Labour-Minister und ehemalige EU-Handelskommissar Peter Mandelson.
Londons konservativer Bürgermeister Boris Johnson, einer der treibenden Euroskeptiker unter den Tories, begrüsste die Rede Camerons. „Was die meisten vernünftigen Menschen wollen, ist, im Binnenmarkt zu bleiben, aber die irritierenden Auswüchse der EU abzuschneiden“, sagte er.
Laut Nick Clegg, Chef der Liberaldemokraten und Vize-Premierminister, schädigt eine langanhaltende Unsicherheit über die Stellung Grossbritanniens in der EU die Wirtschaft des Landes. Ein Referendum sei nicht grundsätzlich falsch. „Aber wir sollten immer danach handeln, was im nationalen Interesse ist“, sagte Clegg.
EU-Kommission äusserte sich zurückhaltend
Die EU-Kommission begrüsste die Aussage Camerons, einen Verbleib seines Landes in der EU zu befürworten. „Es ist sehr im Interesse der EU und in eigenem Interesse Grossbritanniens, dass Grossbritannien ein aktives Mitglied in der Mitte der Europäischen Union ist“, sagte eine Kommissionssprecherin.
Ansonsten äusserte sich die Sprecherin zurückhaltend zu Camerons Rede. Sie sei ein „wichtiger Beitrag zur Debatte über Europa in Grossbritannien“, sagte sie. Es sei Sache der britischen Regierung und der britischen Bevölkerung, über die Beziehung ihres Landes zur EU zu diskutieren.
Unterschiedliche Reaktionen
Der aus Deutschland stammende EU-Parlamentspräsident Martin Schulz kritisierte Cameron scharf. Grossbritannien habe sich in der Vergangenheit stets als Reformbremse in Europa präsentiert. „Da sind diejenigen, die an den Verzögerungen in Europa massgeblich schuld sind, diejenigen, die mit dem Finger auf Europa zeigen“, sagte Schulz im Deutschlandfunk.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte Grossbritannien zum Verbleib in der EU auf und verlangte Kompromissbereitschaft in der EU-Reformdebatte. Aussenminister Guido Westerwelle sagte, eine Politik des Rosinenpickens werde nicht funktionieren.
Frankreichs Präsident François Hollande gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass die Briten im Fall des Falles für den Verbleib in der EU stimmen werden. Kritischer äusserte sich Aussenminister Laurent Fabius: Es sei nicht möglich, in der EU „à la carte“ vorzugehen. Wenn man einem Fussballverein beitrete, könne man nicht auf einmal sagen, dass man jetzt Rugby spielen wolle.
Italiens Ministerpräsident Mario Monti zeigte sich davon überzeugt, dass sich die Briten bei einem Volksentscheid für den Verbleib ihres Landes in der EU entscheiden würden. Er sagte, auch eine unpopuläre Europapolitik könne auf Unterstützung stossen, „wenn sie gut und einfach erklärt wird“.