Für die Auswahl der Preisträger des Filmfestivals von Cannes hat die Jury viel Kritik einstecken müssen. Fachleute warfen ihr am Montag unter anderem vor, mit der Goldenen Palme für Ken Loachs «I, Daniel Blake» einen eher konventionellen Film ausgezeichnet zu haben.
Bei der Preisverleihung am Sonntagabend seien «die interessantesten und gelungensten Filme vergessen» worden, kritisierte Peter Bradshaw von der britischen Tageszeitung «The Guardian». Die französische Zeitung «Le Monde» schrieb, die Preisträger spiegelten nicht die «aussergewöhnliche Kühnheit» der diesjährigen Wettbewerbsbeiträge wider.
«Was bringt es, innovative Filme wie ‚Ma Loute‘ (des französischen Regisseurs Bruno Dumont) oder ‚Toni Erdmann‘ (der Deutschen Maren Ade) vorzuschlagen, nur um dann den bravsten Film auszuzeichnen?», fragte Philippe Rouyer vom Filmmagazin «Positif».
Und der bekannte französische Filmkritiker Jean-Michel Frodon sagte, «I, Daniel Blake» sei zwar ein «guter Film». «Aber wenn es die Daseinsberechtigung des Festivals ist, originelle Stoffe auszuzeichnen, dann war das nicht die beste Wahl.»
Fehlgriffe auch bei Darstellern
Der 79-jährige Loach hatte am Sonntagabend mit «I, Daniel Blake» überraschend seine zweite Goldene Palme gewonnen. Der von Kritikern hochgelobte deutsche Wettbewerbsbeitrag «Toni Erdmann» bekam dagegen keinen Preis. Die Tragikomödie der 39-jährigen Regisseurin Ade hatte nicht nur als einer der Favoriten für die Goldene Palme gegolten; auch die Hauptdarsteller Sandra Hüller und Peter Simonischek hatten begeisterte Kritiken bekommen.
Dass stattdessen die Philippinerin Jaclyn Jose für «Ma‘ Rosa» als beste Darstellerin und der Iraner Shahab Hosseini für «The Salesman» als bester Darsteller ausgezeichnet wurden, kam ebenfalls überraschend. Neben Hüller hatten die Brasilianerin Sonia Braga und die Französin Isabelle Huppert als Favoriten gegolten, bei den männlichen Darstellern neben Simonischek unter anderem der US-Schauspieler Adam Driver.