Carla del Ponte zeigt sich erstaunt über geplantes Kosovo-Tribunal

Die ehemalige Chefanklägerin am UNO-Tribunal für das frühere Jugoslawien findet, es brauche kein neues Gericht, um mutmassliche kosovarische Kriegsverbrechen Ende der 1990er Jahre zu beurteilen. «Ich muss sagen, dass ich staune», sagte Carla del Ponte im Radio SRF.

Del Ponte hat Vorbehalte - vor allem wegen des Sitzes des Tribunals (Bild: sda)

Die ehemalige Chefanklägerin am UNO-Tribunal für das frühere Jugoslawien findet, es brauche kein neues Gericht, um mutmassliche kosovarische Kriegsverbrechen Ende der 1990er Jahre zu beurteilen. «Ich muss sagen, dass ich staune», sagte Carla del Ponte im Radio SRF.

Sie glaube nicht so sehr an dieses neue Tribunal, sagte del Ponte in der Sendung «Heute Morgen» vom Donnerstag. «Ich habe etliche Zweifel daran.»

Es gebe bereits ein Tribunal, das seit Jahren zu Kriegsverbrechen im früheren Jugoslawien arbeite, und dies sei das UNO-Tribunal in Den Haag. Und die Untersuchung von möglichen Verbrechen im Kosovo gehöre dazu.

Dass das Tribunal den Sitz im Kosovo habe, macht die Tessinerin stutzig. Der Kosovo habe bei der Untersuchung zu illegalem Organhandel nie mit dem Haager Tribunal zusammengearbeitet. Diese Ermittlungen seien seit vier Jahren im Gang, und bisher sei nichts dabei herausgekommen.

Handel mit Organen von Gefangenen

Das Parlament im Kosovo hatte am Mittwoch die Bildung eines Kriegsverbrechertribunals mit Sitz in Pristina beschlossen. Das Gericht soll sich mit mutmasslichen Verbrechen der Kosovarischen Befreiungsarmee (UCK) im Kosovo-Krieg (1998-1999) beschäftigen.

Die Schaffung des Tribunals steht in Verbindung mit den Ermittlungen zum mutmasslichen Organhandel. Der Sonderberichterstatter des Europarates, der damalige Tessiner Ständerat Dick Marty, hatte UCK-Kommandanten 2010 in einem Bericht vorgeworfen, während des Kosovo-Krieges am Handel mit den Organen hunderter serbischer Gefangener beteiligt gewesen zu sein.

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