«Carlos» bleibt im Gefängnis und beschäftigt nun das Bundesgericht

Der jugendliche Straftäter «Carlos» bleibt bis auf weiteres im Gefängnis Limmattal in Dietikon ZH. Das Zürcher Obergericht hat sein Gesuch um aufschiebende Wirkung abgelehnt. Der 17-jährige Thaiboxer kämpft nun vor Bundesgericht für seine sofortige Freilassung.

Lässt Schweizer Öffentlichkeit keine Ruhe: der 17-jährige Carlos (Bild: sda)

Der jugendliche Straftäter «Carlos» bleibt bis auf weiteres im Gefängnis Limmattal in Dietikon ZH. Das Zürcher Obergericht hat sein Gesuch um aufschiebende Wirkung abgelehnt. Der 17-jährige Thaiboxer kämpft nun vor Bundesgericht für seine sofortige Freilassung.

Das Gericht habe keinen Anlass dazu gesehen, das Gesuch um aufschiebende Wirkung zu bewilligen, sagte eine Gerichts-Sprecherin am Donnerstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. «Carlos», der am letzten Freitag in Zürich verhaftet wurde, bleibt somit hinter Gitter und wird nicht per sofort zurück in seine Wohnung mit Betreuung gelassen.

Noch am Donnerstag zog sein Anwalt diesen Entscheid ans Bundesgericht weiter. Wie lange die Lausanner Richter für die Behandlung seiner Beschwerde brauchen, ist unklar.

Noch hängig ist am Zürcher Obergericht zudem der normale Einspruch gegen die Inhaftierung. Das Gericht wird voraussichtlich innert zwei Wochen entscheiden, ob die Inhaftierung von «Carlos» rechtlich korrekt war oder ob der 17-Jährige freigelassen werden muss.

«Carlos» hielt sich an alle Auflagen

Die Jugendanwaltschaft hatte die Verlegung ins Gefängnis mit der Begründung angeordnet, «Carlos» müsse geschützt werden, weil sein Wohn- und Aufenthaltsort bekannt geworden sei.

Der Anwalt des Jugendlichen zeigte für diese «Versetzung» hinter Gitter kein Verständnis. Alle involvierten Fachleute hätten «Carlos» in den letzten Monaten «erhebliche positive persönliche, soziale und kognitive Entwicklungen» attestiert.

Zudem habe sich «Carlos» an alle Auflagen gehalten, deshalb sei er auch in einer betreuten Wohnung platziert worden. In der Zeit davor war der junge Straftäter gemäss Angaben des Anwalts einem äusserst strengen Regime unterworfen, im Gefängnis und in der Psychiatrie.

In geschlossener Massnahme «nicht therapierbar»

Diese Darstellung deckt sich mit Angaben des Zürcher Bezirksgerichtes. In einer Mitteilung betont das Gericht, dass für «Carlos» verschiedenste Massnahmen angeordnet worden seien, darunter mehrere Gefängnis- und Psychiatrieaufenthalte.

Fortschritte habe man damit aber keine erzielen können. Auch die Rückfallgefahr sei nicht kleiner geworden. Deshalb habe das Gericht damals davon ausgehen müssen, dass «Carlos» in einer geschlossenen Massnahme nicht therapierbar sei.

Dem Gericht blieb damit die Wahl: Den Schweizer ganz auf freien Fuss zu setzen oder das heute kritisierte Massnahmenpaket anzuwenden. Wegen der Rückfallgefahr entschied sich das Gericht für das Programm mit begleitetem Wohnen, Training und Begleitung durch Experten.

Gemäss Angaben des Gerichtes mit Erfolg: Erstmals seien bei «Carlos» therapeutische Erfolge festgestellt worden. Es sei deshalb angemessen gewesen, die Massnahme weiterzuführen.

Das Gericht betont aber gleichzeitig, dass es selbstverständlich Aufgabe der vollziehenden Jugendanwaltschaft gewesen sei, die notwendigen Bewilligungen und den Leumund der Betreuungspersonen zu überprüfen.

Dies ist offenbar nicht passiert: Der Thaibox-Lehrer von «Carlos» ist vorbestraft und die Firma, welche «Carlos» platzierte, hatte offenbar keine Bewilligung. Zudem hätte die Jugendanwaltschaft auch die angeordneten Massnahmen laufend überprüfen müssen.

«Carlos» wurde im November 2012 wegen schwerer Körperverletzung und Unterlassung der Nothilfe schuldig gesprochen. Er hatte einen Jugendlichen mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt. Dazu kamen zahlreiche frühere Delikte. Der Jugendliche wurde zu 9 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, wobei er diese Monate beim Zeitpunkt des Urteils bereits abgesessen hatte.

Justizdirektor informiert am Freitag

Zum öffentlichen Thema wurde «Carlos» wegen einer Reportage des Schweizer Radio und Fernsehens, die eigentlich den Jugendanwalt Hansueli Gürber hätte porträtieren sollen. Das in der Reportage gezeigte Fallbeispiel «Carlos» löste einen Sturm der Entrüstung aus, weil seine Betreuung pro Monat mindestens 22’000 Franken kostet.

«Carlos», der unter anderem einen Jugendlichen mit einem Messer schwer verletzt hatte, wird von zahlreichen Fachleuten begleitet und geniesst Thaibox-Unterricht bei einem mehrfachen Thaibox-Weltmeister. Einer Arbeit nachgehen kann er gemäss eigenen Aussagen nicht, weil ihm dann die Zeit fürs Training fehle.

Im Zürcher Kantonsrat sorgte «Carlos» am vergangenen Montag für geharnischte Stellungnahmen und eine Diskussion über «Kuscheljustiz». Forderungen nach einer PUK wurden laut. Justizdirektor Martin Graf (Grüne) überprüft gegenwärtig den Fall und wird die Ergebnisse am Freitagnachmittag präsentieren.

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