Der sogenannte «Fall Carlos» wird nun auch noch das Zürcher Obergericht beschäftigen. Der junge Mann hat durch seinen Verteidiger am Mittwoch Beschwerde gegen seine Versetzung ins Gefängnis Limmattal eingereicht.
Das Gericht müsse prüfen, «ob die abrupte Änderung der Platzierungsform rechtlich korrekt und pädagogisch sinnvoll ist», heisst es in der Mitteilung des Anwalts. Bis zu seiner Verhaftung am letzten Freitag wohnte der 17-Jährige zusammen mit einer Betreuerin in einer Wohnung.
Die Verteidigung hat kein Verständnis für die Versetzung ins Gefängnis. Alle involvierten Fachleute hätten «Carlos» in den letzten Monaten «erhebliche positive persönliche, soziale und kognitive Entwicklungen» attestiert.
Aus Sicht sämtlicher zuständiger Institutionen habe sich seine Platzierung somit als «sehr effektiv» erwiesen. Dies habe man dem jungen Mann auch stets so mitgeteilt, schreibt der Verteidiger. Zudem habe sich «Carlos» in den letzten Monaten an sämtliche Auflagen der Behörden gehalten.
«Mutmasslich wirtschaftlich sehr effizient»
Somit war die Platzierung von «Carlos» aus Sicht der Verteidigung nicht nur effektiv, sondern «mutmasslich auch wirtschaftlich sehr effizient».
Denn die in den Medien skandalisierten Platzierungskosten dürften für den Steuerzahler nicht höher sein als jene, die bei einer Inhaftierung in einer geschlossenen Psychiatrie anfallen oder in einer auf Jugendliche spezialisierten Gefängnisabteilung.
Kritik an Berichterstattung
Die durch «Carlos» ausgelöste öffentliche Diskussion über Form und Kosten des Jugendstrafvollzugs hält die Verteidigung für legitim. Allerdings könne diese nicht anhand von anekdotischen Beobachtungen von Einzelfällen erfolgen. Dies führe zu Verzerrungen.
In der gegenwärtigen Diskussion sei beispielsweise «deutlich zu kurz gekommen», dass «Carlos» vor seiner Platzierung in der Wohnung während langer Zeit einem äusserst strengen Regime unterworfen war, etwa im Gefängnis beziehungsweise in der Psychiatrie.
Film-Ausstrahlung nicht zugestimmt
Der Anwalt weist auch darauf hin, dass im Vorfeld des Films stets von einem Porträt des Jugendanwalts die Rede gewesen sei – bei vollständiger Anonymisierung des Einzelfalls. Der Ausstrahlung eines Films, der die Anonymisierung nicht gewährleistet, hätten weder «Carlos» noch seine gesetzliche Vertretung noch die Verteidigung zugestimmt, wie es weiter heisst.
Im Dokumentarfilm des Schweizer Fernsehens SRF über den zuständigen Jugendanwalt Hansueli Gürber wurde der Fall «Carlos» geschildert. Der Strafvollzug des mehrfach Vorbestraften kostet laut Gürber mindestens 22’000 Franken monatlich. «Carlos» wird von zahlreichen Fachleuten begleitet.
Der Film löste ein grosses mediales Echo aus. Auch im Zürcher Kantonsrat kam Unmut auf. Voraussichtlich am Freitag will die Zürcher Justizdirektion einen Bericht zum Fall vorlegen.